Gelsenkirchen. . New York hat es vorgemacht. Gelsenkirchen zieht nach. “Urban Imkering“ heißt der neue Trend, der Imker in die Städte lockt. Für die Bienen soll der Umzug wegen der Pestizide, Monokulturen und Parasiten auf dem Land auch noch gesünder sein.
Was in New York längst Trend ist, findet irgendwann auch den Weg in andere Weltstädte. Und zuweilen sogar in Regionen, die nicht unbedingt zu den Metropolen dieser Erde gehören. Jüngst geschehen in Gelsenkirchen. „Urban Imkering“ ist seit Anfang Mai in der vom Fußball geprägten Stadt kein Fremdwort mehr.
Wenn nun die Gäste des Hotels Maritim am Frühstücksbüfett auf aromatischen „Ruhrpott-Honig“ stoßen, vielleicht noch mit einem Stück wohlschmeckender Wabe darin, dann werden sie die Frühtracht des Stadtgartenhonigs genießen. Einstweilen aber sind die fleißigen Bienen noch emsig bei der Arbeit: Auf dem Dach des 15-geschossigen Hotels, hoch oben über dem Ruhrgebiet, steht der Stock von Imker Günter Schulz – der Wetterseite abgewandt, windgeschützt, dort wo den ganzen Tag die Sonne scheint.
60 000 Bienen – ein Volk - sind mit der Honigproduktion beschäftigt. Die Königin hat Imker Schulz blau markiert. „Wenn wir schon Borussen-Bienen haben, dann muss wenigstens die Königin blau sein“, sagt er. Einen Brutableger gibt es auch schon. „Und die Königin dieses neuen Volkes wird weiß markiert“, verspricht Schulz.
"Die Bienen sind lieb"
In ca. 60 Meter Höhe mit Blick auf die Skyline von Essen, das Dach der Arena und den Gasometer, da summt es friedlich. „Die Bienen sind lieb“, erklärt Schulz. „Ich habe wegen der vielen menschlichen Nachbarn bewusst diese ausgewählt. Es gibt auch aggressive, aber die haben hier nichts zu suchen.“
Die Sonne wärmt die Teerpappe auf. Die Arbeiterbienen kehren an den Hinterbeinchen beladen mit Pollen zurück in die Beute. Sie interessieren sich nicht für die Architektur des Ruhrgebietes. Nein, sie nehmen immer wieder Kurs auf den Stadtgarten und die Schrebergärten. Dort stehen Linden und Rubinien, Gräser verschiedenster Gattungen, Blumen auf Wiesen und in Gärten. „Die Vielfalt der Blüten ist einzigartig und groß“, sagt Imker Schulz. „Deswegen wird dieser Honig auch besonders aromatisch und von hoher Qualität sein. Diese Pollenmixtur gibt es eben nur in der Stadt.“
Auf dem Land sind es Monokulturen, Parasiten und der Einsatz von Pestiziden, die inzwischen zu einem Bienensterben geführt haben. Deshalb fühlt sich das kleine Nutztier in der Großstadt viel wohler. In ihnen scheinen die Populationen für die nächsten Jahre gesichert. Imker Schulz wird an seinen Völkern auch intensive Beobachtungen durchführen und die Daten an die Biologin Dr. Pia Aumeier von der Ruhr-Universität Bochum weitergeben.
Stadtimker sorgt für Honignachschub
Seit 2007 ist Günter Schulz Stadtimker. 15 Völker besitzt er. Sie sind in Gärten und einer in der Gesamtschule Bismarck zu Hause. Und nun auch über dem Ruhrpott. Auf dem Hoteldach sollen im nächsten Jahr schon zwei Völker für die Produktion des proteinreichen und herrlich süßen Nahrungsmittels sorgen. 30 Kilo Honig werden in diesem Sommer fließen, im nächsten rund 80. „Auch wenn dieser Stock am schwierigsten zu erreichen ist und die Ernte dreimal soviel Arbeit bereiten wird, finde ich das fantastisch“, sagt Schulz.
Auf die Idee, die Bienenstöcke aufs Hoteldach zu platzieren, kam Direktor Walter Chytra: „Ich bin eben ein kreativer Mensch. Ich wusste, dass Günter Schulz mit Bienen zu tun hat und habe diesen Marketinggag geboren“, erzählt der Herr des Hauses und schmunzelt. „Ich dachte, der macht einen Scherz“, erinnert sich Schulz. „Jetzt finde ich das ganz toll.“
„Urban Imkering“ davon hatten die Beiden noch nichts gehört. Schließlich ist der Ruhrpott weit weg vom Big Apple. Oder doch nicht?