Wegen des Kita-Streiks waren die Einrichtungen am Freitag geschlossen oder hielten Notgruppen bereit. Die Belegschaften und die Gewerkschaft fordern bessere Arbeitsbedingungen.
In der Kita ist es oft zu laut, auch deshalb gehen die Erzieher auf die Straße. Gestern aber, um halb zehn, war es in der Zwergengruppe am Rotthauser Markt seltsam still. Nicht, weil gestreikt wurde: Ben und Bernice, Paula und Marvin, Mario und Antonia, sie alle saßen nebeneinander und mümmelten ihre Cornflakes. Doch reden mochte so recht niemand am langen Tisch, denn dafür waren sie alle zu scheu. Denn die Zwergengruppe, das war die Notgruppe des Hauses, und dort saßen Kinder, zusammengewürfelt aus allen Gruppen.
Der Start des unbefristeten Streiks in den städtischen Kindertagesstätten erforderte so manches Organisationstalent. 21 der 48 Einrichtungen waren komplett dicht, in 19 Notgruppen eingerichtet, gut die Hälfte der 500 Erzieher stadtweit im Ausstand. Wer dringend auf eine Betreuung angewiesen war, musste sein Kind am Morgen womöglich in eine andere Kita fahren.
Am Rotthauser Markt war knapp die halbe Belegschaft zum Dienst angetreten, auch hier jene Hälfte, die nicht in der Gewerkschaft Verdi ist. Darunter auch Leiterin Barbara Mag. Ein Streikbrecher sei sie nicht, betont die 40-Jährige. Vielmehr hegt sie Sympathien für die Ziele des Streiks, hält die Verdi-Forderung nach einem Tarifvertrag zur betrieblichen Gesundheitsförderung für zwingend notwendig.
Zehnjähriges feiert ihr Haus, ausgerechnet heute, und seit dem Start, betont sie, habe sich das Berufsbild verändert. Immer mehr Aufgaben würden den Erziehern aufgebürdet, sei es wegen des Familienzentrums, das die Einrichtung werden will, wegen der vielen Förderprogramme, die eingeführt würden, wegen des neuen Kinderbildungsgesetzes KiBiz, das jüngere Kinder ins Haus holt, Personal aber abbaut. „Die Kollegen”, spricht Mag Klartext, „arbeiten am Limit.” Und auch wenn sich die Stadt um ihre Kitas kümmere – es reiche nicht. Die Folgen beim Personal: Hautprobleme, Tinnitus, Magen-Darm-Beschwerden – „vom Klassiker Rückenleiden mal ganz zu schweigen”.
Um den Arbeitsplatz der Erzieher „gesünder” zu machen, dafür kämpft Verdi. So sollen Experten einmal jährlich in die Kitas kommen, um zu gucken, wo der Schuh drückt. Ist es zu laut? Gibt es zu wenig Erwachsenenstühle? Braucht es weitere Kräfte? Missstände, so hofft die Gewerkschaft, sollen so durch einen Gesundheitstarifvertrag abgestellt werden.
Damit dieser kommt, wird auch am Wochenanfang weitergestreikt. Am Montag auf jeden Fall, sagt Verdi-Chefin Martina Peil, für diesen Tag ist am Vormittag ein Streik in der Innenstadt geplant, „und wohl auch am Dienstag”. Heißt: Die Eltern müssen weiter improvisieren. Geöffnet bleiben Notgruppen in den städtischen Kindertagesstätten Mühlenstraße, Vinckestraße, Ovellackerweg, Diesterwegstraße, Leipziger Straße, Auf der Hardt und Rotthauser Markt; darauf, so Peil, haben sich Stadt und Verdi geeinigt. In weiteren Kitas werden Notgruppen eingerichtet, so ein Stadtsprecher, in welchen, das stehe noch nicht fest.
Zurück nach Rotthausen. Dort, freut sich Leiterin Barbara Mag, seien die Eltern unisono „sehr einsichtig”, trotz aller Misslichkeiten, die der Streik mit sich bringe. Wiebke Hetmanek ist so ein Elternteil. Die 38-Jährige aktivierte gestern für Tochter Ana ihre frühere Tagesmutter. Ein Gesundheitscheck für die Erzieher, so die Frau, die wie ihr Mann selbstständig ist, sei „das Mindeste”. Schließlich habe man den Erzieherin die Kinder anvertraut: „Da will ich, dass sie einen guten Job machen können.”