Gelsenkirchen. In seiner Lesung “Kommse bei uns bei?“ zieht Rolf Dennemann ein schonungsloses Fazit zu Ruhr.2010. Doch trotz seiner zynischen Art merkt man, dass Dennemann ein Ruhrpott-Sympathisant ist. Das Publikum im Bismarcker Consol-Theater war begeistert.
Ruhr.2010? „Hab ich von gehört“, dachte sich Rolf Dennemann und präsentierte in einer gleichnamigen Performance-Lesung seine Eindrücke, Erlebnisse und Gedanken in Form eines Tagebuchs zum Kulturhauptstadtjahr 2010.
Wachstum durch Kultur bekam bei ihm jedoch einen andere Bedeutung: „Die Haare ein Jahr wachsen lassen - wenn das mal kein Kulturprojekt ist“, liest Dennemann aus seinem Tagebuch. Die Zotteln waren bei seinem Auftritt im Bismarcker Consol-Theater am Samstagabend jedoch längst wieder einem Kurzhaarschnitt gewichen.
Schonungslos ehrlich
Bei seinem persönlichen Resümee ist der gebürtige Gelsenkirchener schonungslos ehrlich und findet für jede noch so kleine Ruhrgebietsmetropole die passenden Worte: Herne - besser bekannt als Wanne-Eickel, Dortmund - im „U“, am „U“ und um „U“ herum oder Gelsenkirchen - dessen Negativimage alles in den Schatten stellt. „Die Bahnhofstraße ist ein Paradies für Anthropologen“, sagt Dennemann. Denn auch Ruhr.2010 konnte die Eigenarten nicht mindern.
Trotz seiner nachdenklich bis zynischen Art merkt man, dass Dennemann Ruhri-Sympathisant ist. Das gefällt auch dem Publikum. Seine Show gestaltete er dezent, der bescheidene Mann aus dem Pott. Auf der Bühne: ein Lesepult, zu dessen Rechten ein Flügel, rechts ein Schreibtisch mit zwei PCs, eine Leinwand. O-Töne, Videos, Musikeinlagen und Fotos – mit all diesen Mitteln hatte der Künstler die Stimmung der Kulturhauptstadt eingefangen. Das Charmante: Er spricht den Besuchern aus der Seele, übt nicht den Blick von oben, schimpft über das, worüber jeder gute Ruhri schimpft.
Viel Glamour hat Ruhr.2010 nicht gebracht
Von Anfang an macht er deutlich: So viel Glamour hat Ruhr.2010 gar nicht gebracht. „1. Januar 2010“, beginnt Dennemann, „endlich ist es soweit, wir sind Kulturhauptstadt. Aber wo bleiben die Glückwünsche?“. Diese wird er auch weiterhin vermissen – viel mehr stellt er verstört fest, dass Ruhr.2010 scheinbar gar nicht wahrgenommen werden will. „Dinslaken ist Local Hero“, erzählt er. Aber keiner merkt’s: „Über Hinweise auf Hinweise würde ich mich jetzt freuen, finde aber keine“, so Dennemann.
Interessante Töne zwischen den Zeilen
Trotz der Ruhr.2010-Unwörter „Metropole“ und „einzigartig“ ist sein Fazit klar: Außer Sing-Säulen hat’s nicht viel gebracht. Sing-Säulen. Sie scheinen dem Künstler schwer zu schaffen gemacht zu haben. „Wann immer der Mensch das Bedürfnis hat zu singen – man gebe ihm eine Sing-Säule“, so Dennemann sarkastisch.
Natürlich fanden in seinem Programm auch die großen Projekte wie die A 40-Sperrung, Day of Song oder die Loveparade ihren Platz – doch interessanter waren Dennemanns Töne zwischen den Zeilen. Sein Ausblick nach 365 Tagen: Der Ruhrgebiets-Tatort kommt nach Gelsenkirchen. Der erste Fall: Der Sing-Säulen-Mörder.