Essen. Auf den ersten Blick wirkt er freundlich und sympathisch. Aber Erich K. (41), der laut Anklage in seinem Reisebüro in Buer Kundengelder in Höhe von 1,7 Millionen Euro veruntreute, verstrickt sich vor dem Landgericht Essen in Widersprüche.

Es war wohl zu verlockend für den Dorstener, der vor Jahren schon zweimal wegen Betruges verurteilt wurde. Weil zwei seiner Mitarbeiterinnen für längere Zeit verhindert waren, bekam plötzlich er die Vollmacht über die Geschäftskonten des Reisebüros „Ticket-Point“ bei der Volksbank. Ab April 2010 hob er regelmäßig größere Summen ab. Mal 30 000 Euro, mal 50 000. Zum Schluss sogar 200 000 Euro auf einen Schlag. „Nach dem ersten Mal hätte die Bank uns warnen müssen“, klagt hinten im Saal ein ehemaliger Mitarbeiter, „dann wäre das nie passiert“. „Nein“, sagt später der zuständige Sachbearbeiter der Bank, „bei Firmenkonten ist das nicht vorgesehen“.

Dass Kunden unvermittelt im Flughafen erfuhren, dass ihre Reise nicht bezahlt wurde, dieser Schock war bekannt. Aber der Griff in die Firmenkasse betraf auch die rund 50 Mitarbeiter. Plötzlich waren sie ihren Job los. Eine 22-Jährige, die bei „Ticket-Point“ gelernt hat, gerät ins Stocken und weint, als Richter Edgar Loch sie nach ihrer Erinnerung an den 12. Juli fragt. „Er kam und sagte: Alles aus, PC aus, Schublade schließen. Kurz darauf kam unsere Geschäftsführerin. Sie weinte und sagte, dass er die Konten platt gemacht hat.“

Von seinen Verteidigern Malte Englert und Thomas Schwieren offenbar nur wenig beraten, versucht er sich an Erklärungen. Fragen zeigen, dass Gericht und Staatsanwalt ihm wenig Glauben schenken. Er schildert, wie viel er gearbeitet hat, je größer das Geschäft wurde. „Immer!“ Offenbar fand er aber auch noch Zeit, Schulden aufzuhäufen. Getrunken habe er, Kokain genommen. Er nennt Mengen, die Staatsanwalt Hans-Joachim Koch medizinisch einordnet: „Andere wären da tot.“

Als er plötzlich Kontovollmacht bekommen habe, will Erich K. die Chance genutzt haben, illegal Geld abzuheben. „Ich sah die Möglichkeit, mit Problemen fertig zu werden.“ Schulden zahlte er vermutlich zurück, ohne das offen auszusprechen. Danach sei ihm das Problem bewusst geworden, dass er das Geld nie zurückzahlen könnte. Erich K. „In Panik fasste ich den Entschluss: Zusammenraffen, was geht! Und dann nach Kuba.“

Die Tickets für den Flug hatte er, dann stellte er sich. Die Last fiel ab von ihm: „Seit ich in Haft kam, habe ich noch nie so gut geschlafen.“ Das Gericht interessiert sich eher, was mit den 900 000 Euro ist, über deren Verbleib der Angeklagte sich noch nicht erschöpfend äußerte. 250 000 Euro will er in Andorra angelegt haben. Und über den Rest will er nichts sagen, weil er laut Verteidiger Englert die Fragen als „einseitig“ empfindet.