Die Abzocke im virtuellen Netz nimmt immer mehr zu. Bei der Polizei - auch in Gelsenkirchen - häufen sich die Fälle, in denen im World Wide Web gelogen, betrogen und abgezockt wird. Die Kriminalstatistik von 2008 weist für Gelsenkirchen insgesamt 430 Straftaten mit „Tatmittel Internet” aus.
Bankraub war gestern. Heute lauert die Gefahr immer öfter im Internet. Bei der Polizei - auch in Gelsenkirchen - häufen sich die Fälle, in denen im World Wide Web gelogen, betrogen und abgezockt wird. Seit drei Jahren hat die Dienststelle Wirtschaftskriminalität vor Ort ihre Bemühungen, den Tätern auf die Schliche zu kommen, massiv verstärkt. Mit vier spezialisierten Mitarbeitern, zu denen auch Christian Martinek gehört.
Und obwohl die Fallzahlen auf den ersten Blick niedrig erscheinen: Die Kriminalstatistik von 2008 weist für Gelsenkirchen insgesamt 430 Straftaten mit „Tatmittel Internet” aus: „Die tatsächliche Anzahl der Fälle, die wir hier bearbeiten, ist ein Mehrfaches davon”, betont Martinek. Weil der Computer bzw. Nutzer, von dem die Tat ausgehe, oft ganz woanders als in Gelsenkirchen sitze. „In vielen Fällen auch im Ausland.” Und deswegen nicht in der Statistik gelsenkirchen auftaucht.
Aber gerade dieses Vorgehen hat System und macht das virtuelle Netz zu einem Tummelplatz von Kriminellen. „Sie haben ja in ganz vielen Fällen kaum die Möglichkeit, Daten zurückzuverfolgen.” Etwa bei Vermögens- und Fälschungsdelikten, die in 2008 etwa 80 Prozent der Fälle von Internetkriminalität in Gelsenkirchen, auch bundesweit ausmachten. „Wenn Sie bei e-bay oder bei einem Versandshop etwas kaufen, geben Sie zwar ihre Daten ein - aber das wird ja nicht überprüft!” Was dazu führt, dass nicht nur bestellte Waren nicht geliefert, bzw. im umgekehrten Fall nicht bezahlt würden. „Es führt auch dazu, dass Leute gezielt im Netz unterwegs sind, um Daten zu klauen, mit deren Hilfe sie dann Straftaten begehen können”, erklärt Martinek. Organisierte Kriminalität sei das oft, in der Spezialisten an entsprechenden Programmen arbeiteten.
Diese Fälle machen dem Fachmann schwer zu schaffen. „Denn die Täter tun alles, um ihre Identität zu verschleiern.” Mit sogenannter „Schadsoftware” schleusen sie sich in einen beliebigen Rechner ein. „Diese Software wird beim Surfen auf gängigen Seiten im Netz einfach auf den Rechner gespielt, der Nutzer merkt das oft gar nicht.” Das böse Erwachen komme dann erst mit der Abrechnung der Kreditkarte. „Da wird den Betroffenen dann klar, dass sie auspioniert worden sind.”
Laut einer aktuellen Forsa-Umfrage haben 38 Prozent der Internetnutzer ab 14 Jahren – das entspricht fast 20 Millionen Deutschen – erlebt, dass ihr Computer infiziert wurde.„Es ist schon vorgekommen, dass wir mit einem Durchsuchungsbeschluss vor der Tür eines völlig unbescholtenen Bürgers gestanden haben, der dann aus allen Wolken fiel.” Denn sogenannte IP-Adressen von Rechnern können die Ermittler zurückverfolgen. „Wenn die aber missbraucht werden, wird es schwierig für uns.”
Auch die Fälle von Kinderpornographie im Netz sind in den letzten Jahren massiv gestiegen: In 2008 waren es 22 mit Tatort Gelsenkirchen, „und ein vielfaches, was wir zwar hier bearbeiten, was aber nicht nur hier verortet ist, also nicht in der Statistik auftaucht”, erklärt der Ermittler.
Martinek schätzt, dass sich die Zahl der Fälle, in denen das Netz als Tatmittel benutzt wird, weiter erhöhen wird. „Die Anonymität macht es den Tätern leicht.” In 2008 lag die Aufklärungsquote der Gelsenkirchener Experten bei etwas über 85 Prozent. „Aber man muss davon ausgehen, dass die Dunkelziffer erheblich ist.”