Die Gelsenkirchenerin Ingeborg Langefeld führt in Kenia die Mädchenschule „Maendeleo Academy” - Im WAZ-Interview spricht sie über ihr Projekt, den Besuch von Gerd Rehberg und die problematische Situation von Frauen und Mädchen in Afrika.

Ingeborg Langefeld lebt diesseits von Afrika. Die ehemalige Abteilungsleiterin des Gesundheitsamtes hat sich in Kenia einen Traum erfüllt, damit auch andere träumen können: In Diani Beach betreibt die 55-Jährige die „Maendeleo Academy” - mit ihr sprach WAZ-Volontär Janis Brinkmann.

In einer Kolumne des ZEIT-Magazins fragt Roger Willemsen wöchentlich seinen Gegenüber: „Warum machen Sie das?” Diese Frage stellt sich auch bei Ihnen.

Langefeld: Da habe ich zwei persönliche Gründe: Ich ging auf die 50 zu und dachte mir: Ich möchte nochmal etwas im Leben erreichen, etwas wirklich Wichtiges. Dazu habe ich seit 14 Jahren eine Beziehung zu einem Kenianer, dessen zwei Kinder ich als meine eigenen betrachte. Durch sie wurde ich auch auf die problematische Schulsituation in Kenia aufmerksam. . .

Und sind mit ihrer eigenen Schule dagegen an gegangen. Wo gibt es immer noch Schwierigkeiten?

Das größte Problem ist der Hunger - der ist einfach überall. Viele Menschen in Kenia haben ihre Jobs verloren und dadurch weniger Geld, gleichzeitig haben Unruhen große Teile der Landwirtschaft zerstört. Dadurch steigen die Preise.

Leiden auch ihre Schülerinnen unter dem Hunger?

Ja, manche Mädchen kommen morgens ohne Frühstück in die Schule und gehen am Abend ohne Essen ins Bett. Morgens gibt es dann meist wieder nichts. Für die Schule ist das natürlich schlecht: Wer bitte kann sich über viele Stunden konzentrieren, wenn er seit zwei Tagen nichts gegessen hat? Wenn ich wieder zurück komme, haben wir zum Glück schon ein Frühstückprogramm für alle Mädchen.

Inwiefern unterscheidet sich Schule allgemein im Vergleich zu Deutschland?

In Kenia fehlen zunächst einmal landesweit mehr als 300 000 Schulplätze für die Kinder. Dazu gibt es viel zu wenig Bücher und der Unterricht findet manchmal in Klassen mit bis zu 120 Schülern statt. Und Disziplin wird bei uns ganz groß geschrieben: An meiner Schule habe ich den Lehrern aber explizit verboten, meine Schülerinnen zu schlagen. Dieses Verbot war auch absolut notwendig.

Aktuell läuft die Verfilmung von Waris Diries „Wüstenblume” in den deutschen Kinos. Was erkennen Sie in der Situation kenianischer Mädchen wieder?

Kenianische Mädchen werden noch immer stark benachteiligt. Selbst in der Region um die Hauptstadt Nairobi, wo man eher Wert auf Bildung legt, gehen zuerst die Jungen auf die Schule, die Mädchen nur, wenn es sich die Familien noch leisten können.

Ist die Beschneidung von Mädchen und Frauen noch immer ein Problem?

Eigentlich wurden die Beschneidungen an unter 16-Jährigen verboten und es wird auch langsam weniger. Gerade im ländlichen Bereich ist das aber nur schwer durchzusetzten. Prinzipiell ist das auch nichts Religiöses, sondern ein Machtfaktor der Männer: Eine Frau die beim Geschlechtsverkehr starke Schmerzen hat, geht nicht so leicht fremd.

Was dachten Sie als der ehemalige Bürgermeister Gerd Rehberg plötzlich vor der Tür Ihrer Schule stand?

Da war ich völlig fassungslos. Er war mit Freunden in Kenia und hat uns in der Schule besucht. Ich glaube, das hat ihn sehr beeindruckt.

Was schätzen sie an Kenia, was vermissen sie an Deutschland?

Die Menschen in Kenia sind viel lebendiger als die Deutschen, die sind mir zu kalt. Die Kenianer dagegen leben absolut im Hier und Jetzt - manchmal sogar etwas zu sehr. Was ich vermisse? Vor allem die Kultur - Kino, Oper, Theater. Das habe ich hier früher immer sehr genossen. In Kenia gibt es da nicht viel.