Gelsenkirchen. .
Ein halbes Jahr brauchte sie, dann schwärzte sie ihren Ex-Freund anonym bei der Polizei an. Am Montag bekam Pascal B. sein Urteil: Drei Jahre und zehn Monate Haft für den gescheiterten Überfall auf die Schlecker-Filiale in Hassel im Frühjahr 2009.
Hinten im Zuhörerraum weinte seine aktuelle Freundin, vorne auf dem Zeugenstuhl hatte seine Ex-Freundin eine Kostprobe ihres Temperamentes abgeliefert. Mit „besonders“ und „extrovertiert“ beschrieb im Urteil Richterin Jutta Wendrich-Rosch eher zurückhaltend den Auftritt der 27-Jährigen. Ohne Pause, fast ohne Atemholen kamen die Worte aus ihr heraus, zwischenzeitlich nahm sie direkt den Angeklagten in den Blick, herrschte ihn an und provozierte ihn zu verbalen Reaktionen. „Sollte das ein Schauspiel werden?“, fragte die Richterin später und fühlte sich an Gerichtsshows aus dem Fernsehen erinnert.
Im Kern blieb für das Gericht aber eine schwerwiegende Belastung durch die Aussage der Frau übrig. Am 29. Mai 2009 hatte ein zunächst unbekannter Mann die Schlecker-Filiale betreten. Er bedrohte die 54 Jahre alte Kassiererin mit einer Pistole und forderte Geld. Voller Angst schloss sie die Kassenschublade und lief schreiend weg. Der Unbekannte ergriff die Flucht.
Ein halbes Jahr später traf bei der Polizei eine anonyme Anzeige per Internet ein, die den Angeklagten in den Verdacht rückte. Schnell hatte die Polizei die 27-Jährige als Verfasserin der E-Mail ermittelt. In der Vernehmung erzählte sie mehr. Am Tattag nach dem Überfall habe er sie per Handy „angetextet“. Er habe großen Mist gebaut, soll er ihr per SMS gestanden haben, und müsse nun verschwinden. Sie hätten sich danach auf einem Spielplatz in Sutum getroffen, wo er ihr den Überfall beichtete und mit Details schilderte, Ungewöhnlich war, dass die Ex-Freundin den Angeklagten nach der Trennung im Mai wegen Körperverletzung angezeigt hatte, dem Amtsgericht in Buer in der Verhandlung im September 2009 aber nichts von dem Überfall erzählte. Und die SMS von Mai hatte sie bereits gelöscht; ungewöhnlich angesichts der späteren Anzeige.
Beweisprobleme sah die Kammer aber nicht. Denn hinzu kam, dass die noch heute sichtlich geschockte Kassiererin den Angeklagten aus einer Reihe von Fotos „zu 95 Prozent“ als Räuber identifizierte.