Ein-Euro-Job bietet keine Perspektive? Von wegen. In den Gelsenkirchener Werkstätten fanden 15 Kräfte eine feste Stelle. Die Diskussion über das Arbeitsmarktinstrument kann man dort nicht so recht nachvollziehen.

Als „Best Ager“ gelten Menschen jenseits der 50 noch nicht allzu lange. Und ihre Jobaussichten sind auch heute noch nicht rosig. Mitten im Leben und ohne Stelle? Das bedeutet(e): kaum vermittelbar und keine Perspektiven. Das bedeutet(e): ausrangiert auf dem Arbeitsmarkt und rein in Hartz IV, rein in die Schleife aus Job-Suche und 1-Euro-Jobs. Zwei, die aus der Spirale ausgebrochen sind, sind Astrid Lohmann (56) und Lothar Puzicha (64). Aus dem so genannten Aktiv-Job fanden sie zur festen Stelle. Ihr Arbeitgeber: die Gelsenkirchener Werkstätten für angepasste Arbeit. Und sie sind dort nicht allein. In den Behinderten-Werkstätten fanden in den letzten Jahren 15 Ein-Euro-Jobber Arbeit.

Die aktuelle Debatte um Sinn und Unsinn der Ein-Euro-Jobs kann Werkstätten-Geschäftsführer Bernd Heußner nicht nachvollziehen. Für ihn macht das Arbeitsmarktinstrument Sinn. „Seit 2005 bieten wir immer so um die 15 Plätze für Aktivjobber.“ Querbeet kommen sie in den Arbeitsbereichen zum Einsatz. Die Erfahrungen? Rundum positiv. Die Chancen auf einen Job? Durchaus gegeben. „Wir nehmen häufig die Leute, die wir schon kennen. Ich denke, das ist für beide Seiten gut“, sagt Heußner.

Als Postbeamtin hat Astrid Lohmann ihre Berufslaufbahn begonnen. Dann hat sie drei Kinder bekommen und eine zwölfjährige Familien-Auszeit genommen. Engagiert in Schule und Kindergarten war sie schon immer, später wurde sie ehrenamtlich tätig. Nur mit dem Rückweg in den Job wollte es nicht klappen. „Ich war um die 50 und motiviert, galt aber als kaum vermittelbar. Über einen Ein-Euro-Job kam sie zu den Werkstätten – und dort offenbar gut an mit ihrem Organisationstalent.

Im Betreuten Wohnen und bei der Verselbstständigung von Menschen mit Behinderungen hat sie ihren Aufgabenbereich. „Am 1. April 2007 bin ich glücklich und froh eingestiegen“, sagt sie. „Vorher habe ich mich eigentlich nie als Ein-Euro-Jobberin gefühlt. Aber das war letztlich das Nonplusultra, das war mein Trittbrett.“

Zuweisung übers Integrationscenter

Aus Buer in die Ferne hat es einst Lothar Puzicha geführt. Der Ingenieur zog 1970 nach Südafrika, gründete dort eine Firma und eine Familie. 2003 kam er nach Deutschland zurück. „Ich habe mich noch jung genug gefühlt für Arbeit und war dauernd bei der Agentur für Arbeit. Ein Wasserprojekt führte ihn für sechs Monate nach Albanien, dann folgte wieder die Arbeitslosigkeit bis der Anruf vom IAG kam- „am 14. Dezember 2005“. Am Tag darauf hat Puzicha in den Werkstätten angefangen, mit 59 Jahren als Ein-Euro-Jobber. „Das war nicht schlimm, das war eher ein Geschenk. Erniedrigt gefühlt“, sagt er, „habe ich mich durch Hartz IV“. 2007 dann die Festanstellung. Als Integrationsassistent versucht Puzicha nun, behinderte Menschen auf dem ersten Arbeitsmarkt unterzubringen.

Ein Selbstläufer ist das System allerdings nicht. Die Zuweisung erfolgt übers IAG, das Integrationscenter für Arbeit Gelsenkirchen. „Die überlegen sich vorher schon genau: Wen können sie hierher schicken? Diejenigen müssen unsere Menschen hier mögen. Arbeit mit Behinderten kann nicht jeder und mag nicht jeder“, sagt Heußner.

650 Menschen mit Behinderungen und 120 Mirtarbeiter vom Betreuer bis zur Bürokraft arbeiten in Beckhausen – die Werkstätten sind ein großer Arbeitgeber. Und sie werden weiter Aktiv-Jobber beschäftigen. Pressesprecher Ralf Wiemann: „Es gibt mindestens 50 %, die hoch motiviert sind und dadurch auch eine Chance bekommen zu zeigen, was sie können.“