Gelsenkirchen.

Gute Sinfoniekonzerte zeichnen sich durch sinnfällige Programm-Dramaturgie aus.

Wenn darüber hinaus dem bisher kaum Gehörten eine Chance gegeben wird, kann dies – bei Publikum wie Interpreten – Horizonte erweitern. Und wenn dazu ein junger Solist die Möglichkeit hat, sein Können unter Beweis zu stellen, ist für Aufmerksamkeit gesorgt.

Dies alles hat nun die Neue Philharmonie Westfalen mit ihrem 3. Sinfoniekonzert im Musiktheater geboten. Im Zentrum des tönenden Geschehens steht dabei Frédéric Chopin, flankiert von Werken zweier Bewunderer: Sergej Ljapunow und Robert Schumann. Es ist ein Abend, der zwischen Verklärung, Virtuosität und dramatisch-erhabenem Ernst pendelt.

Zunächst also Ljapunow. Ein Kleinmeister der russischen Spätromantik, der mittels geheimnisvoll lyrischer und zackig tänzerischer Klänge dem Geburtsort von Chopin, Zelazowa Wola, ein schönes Denkmal gesetzt hat. Ljapunow zelebriert Sehnsucht, die an Sibelius erinnert, und markiges polnisches Volksgut, im Stil allerdings Tschaikowsky näher denn Chopin selbst. Fürs Orchester indes Anlass genug, feine, farbige Holzbläser-Linien und rhythmisches Feuer zu demonstrieren.

Wenn dann Chopins 1. Klavierkonzert erklingt, die Philharmonie sich naturgemäß zurücknimmt, manchmal leider auf Kosten musikalischer Transparenz, ist der junge koreanische Pianist Jinsang Lee gefordert.

Eher introvertiert, scheint ihm die virtuose Brillanz eines Chopin seltsam fremd. Lee will kleine Dramen im konzertanten Geflecht entdecken, nicht mittels glitzernder Effekte ins Salongetue abgleiten. Ein Spiel fast ohne Rubato, delikate harmonische Wechsel kaum hervorhebend, scheint er ständig auf der Hut zu sein, bloß das Sentiment zu meiden. Schade, es geht manches verloren.

Umso mehr an Charakter, Bedeutung und starker Wirkung gewinnt das Orchester Schumanns 4. Sinfonie ab. Das ist auch Verdienst des überaus pointiert dirigierenden Antony Hermus; sein in Gips gefasster linker Arm ist da kein Hindernis. Schumanns Ringen mit der Gattung Sinfonie, den übergroßen Beethoven vor Augen, wird eindrucksvoll offengelegt. Hermus betont die dunkle Grundierung, aber auch den Überschwang des Werks. Heftiger Applaus.