Gelsenkirchen.
Ein-Euro-Jobs nützen nur Arbeitgebern, gefährden Arbeitsplätze und erfüllen nicht die Voraussetzungen für Fördergelder. Diese Bilanz des Bundesrechnungshofes sorgt für kontroverse Reaktionen.
Dirk Sußmann vom Integrationscenter für Arbeit Gelsenkirchen (IAG) hält diese geballte Kritik des Bundesrechnungshofs (die WAZ berichtete gestern) für „ganz falsch“. Nicht so DGB-Chef Josef Hülsdünker: Er stellt sich „zu 100 Prozent“ hinter diese Rüge des Bundeskontrollbehörde.
Das System Ein-Euro-Job bringt der Gewerkschafter sehr drastisch auf den Punkt: „Die Arbeit ist billig wie Dreck. Es geht um viel Geld und weckt Begehrlichkeiten bei den Trägern. Und man kann damit Arbeitslose aus der Statistik zaubern“, so Hülsdünker. Und: Wirksame Kontrollen der Ein-Euro-Jobs fänden nicht statt.
Das IAG und auch die Stadt teilen diese Position nicht. „Es gibt aus unserer Sicht keine Alternative zu diesen Arbeitsgelegenheiten“, erklären IAG-Vize Sußmann und Sozialdezernentin Henriette Reker unisono auf WAZ-Anfrage.
Es ärgere ihn maßlos, so Sußmann, dass in der aktuellen Diskussion etwas durcheinander geworfen werde. Der Gesetzgeber habe ausdrücklich im Sozialgesetzbuch II festgelegt, dass die Aktiv-Jobs, wie Ein-Euro-Jobs in Gelsenkirchen genannt werden, nachrangig seien und nur gefördert würden, wenn es keine Alternativen dazu gebe. Das sei für die Langzeitarbeitslosen, die das IAG in die im Schnitt 2000 Aktiv-Jobs vermittelt hat, der Fall.
„Sie sind so weit weg vom Arbeitsmarkt, dass es zurzeit keinen Sinn machen würde, sie in Trainingsmaßnahmen zu bringen“, sagt Dirk Sußmann. Bei 67 Prozent aller Gelsenkirchener Langzeitarbeitslose gebe es diese „multiplen Vermittlungshemmnisse“, so das IAG. Diese Gruppe müsse erst einmal wieder an Tugenden wie regelmäßiges frühes Aufstehen oder Teamfähigkeit gewöhnt werden. „Die Aktiv-Jobs sind ein erster Schritt, weitere müssen natürlich folgen“, betont der stellvertretende IAG-Geschäftsführer.
Dieses „menschelnde Schiene“ will der DGB nicht gelten lassen. Es würden auch zahlreiche qualifizierte Arbeitslose in die Ein-Euro-Jobs vermittelt, für die dieses Instrument jedoch völlig ungeeignet sei, erklärt Hülsdünker.
Erhebliche Zweifel äußert der DGB-Vorsitzende zudem an den Ergebnissen einer Untersuchung der Fachhochschule, die von IAG und Stadt in dieser Diskussion ins Feld geführt wird. So hätten laut der Studie 81 Prozent der von Studenten befragten Betroffenen erklärt, dass ihr Aktiv-Job hilfreich sei, um wieder Fuß zu fassen und einen Arbeitsrhythmus zu finden.
Und auch beim Thema „Gefährdung regulärer Jobs“ kommen DGB und IAG/Sozialdezernat nicht auf einen Nenner. Von einer solchen Gefährdung durch Ein-Euro-Jobs-könne keine Rede sein, sagt Sußmann und verweist auf die Qualitätsansprüche. Ein „klasse Netzwerk“ sei in Gelsenkirchen aufgebaut worden. Aktiv-Jobber seien ebenso bei großen Trägern wie Gafög, Caritas, Diakonie oder Stadt beschäftigt wie beim Tierschutzverein oder bei der Tafel: „Da kann niemand sagen: Die nehmen anderen die Arbeit weg.“
„Klasse Netzwerk“? DGB-Chef Josef Hülsdünker spricht von einer „unheiligen Allianz“ aus IAG, Stadt und Wohlfahrtsverbänden. Das Arbeitsmarkt-Instrument werde „ausgenutzt“, kritisiert Hülsdünker die Träger. Als Mitglied des IAG-Fachbeirats benenne er die existierenden Missstände seit Jahren und fordere die Abschaffung dieser Arbeitsgelegenheiten: „In diesem Punkt besteht sogar Einigkeit zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern.“
Auch Linke-Ratsherr Ralf Herrmann erneuerte seine Kritik an Ein-Euro-Jobs. Dies sei ein vollkommen ungeeignetes Instrument der Arbeitsmarktpolitik und de facto „ein Beschäftigungskiller“: „Man sollte lieber in eine gezielte Weiterbildung investieren. Das macht viel mehr Sinn.“