Gelsenkirchen.

Feuertaufe bestanden: Im Musiktheater im Revier (MiR) konnten blinde und sehbehinderte Besucher erstmals eine HörOper besuchen. Über Kopfhörer wurde ihnen das Bühnengeschehen von „Hänsel und Gretel“ erzählt.

„Der Saal wird dunkel. Der Dirigent verbeugt sich“, sagte die Stimme über die Kopfhörer. „Natürlich“, würde da manch einer sagen, „ist ja auch normal in der Oper – warum sollte man das also noch extra sagen?“ Warum? Weil es Menschen gibt, die diese Banalität schlicht und ergreifend nicht sehen können. Um genau diesen blinden und sehbehinderten Menschen einen Theaterbesuch so lebendig wie möglich zu gestalten, hat das Musiktheater am Sonntag zum ersten Mal das Projekt Hör.Oper (wie berichtet) umgesetzt.

Über einen speziellen Ein-Ohr-Kopfhörer empfingen bis zu 36 blinde Besucher auf eigenen „Hörplätzen“ über Funk die Stimme von Gerda Levers, die live das Geschehen auf der Bühne kommentiert. Durch diese Audiodeskription sollen die visuellen Vorgänge auf der Bühne erfahrbar werden. Und nicht nur das. Schon vor Beginn der Veranstaltung gibt sie detaillierte Informationen zu Bühnenbild, Kostümen, Schauspieler und deren Aussehen.

Projektteam um Beate Supianek

Das Stück, das sich das Projektteam um Beate Supianek, zur Feuertaufe ausgesucht hatte, war „Hänsel und Gretel“ von Michiel Dijkemas. Das stellte in gewisser Weise eine besondere Herausforderung dar, da die moderne Inszenierung mit dem klassischen Kindermärchen nicht mehr viel zu tun hat. „Die Erklärung vorab war schon wichtig“, sagte die sehbehinderte Renate Pingert, „bei ,Hänsel und Gretel’ hat man ja erstmal die Vorstellung von einem Knusperhäuschen im Kopf.“

Bei einem kleinen Selbstversuch war man als Sehender immer etwas zwiegespalten. Denn ein wirkliches Nachempfinden ist für den Sehenden de facto nicht möglich. Also schloss man kurzweilig die Augen - öffnete sie jedoch reflexartig, sobald die Stimme aus dem Kopfhörer etwas beschrieb. Doch das Timing der Beschreibung war immer etwas versetzt zu dem, was tatsächlich auf der Bühne geschah. „Man will ja auch keine Gesangs- oder schönen Instrumentalteile stören“, erklärte Pressereferent Christoph Nagler die Eigenart. Das irritierte zwar durchaus die Selbsttesterin, nicht aber den, der wirklich nichts sieht.

„Einfach toll“

Das war auch an den ersten Reaktionen der ersten sehbehinderten Besucher festzumachen. „Das war super, einfach toll“, sagte Claudia Hemmis in der Pause begeistert. „Da macht der Theaterbesuch richtig Spaß“, fand auch Renate Pingert. Beide gehen sonst eigentlich nicht ins Theater – es bringe ja nicht viel. „Das war auch super gesprochen – die Stimmung auf der Bühne kam absolut rüber“, sagte Hemmis.