Jeff ist die Ruhe selbst. Und auch Karlheinz Kathagen zählt eher zur Kategorie ruhig, aber bestimmt. Beide sind ein eingespieltes, oder besser: eingerittenes Team. Beste Voraussetzungen für diese Jahreszeit. Dann gibt Kathagen den St. Martin in Serie. Alle Jahre wieder hoch zu Ross führt er die Laternenumzüge an. Traditionell in Bulmke, in St. Augustinus, in Erle und Rotthausen, erstmals in Heilig Kreuz Ückendorf und und und.

Sieben Stationen in der Stadt und auch in Gladbeck werden Pferd und Reiter von heute an im Dienste St. Martins ansteuern. „Wir haben seit Jahren in etwa den gleichen Fahrplan“, sagt der 54-Jährige. Das Ritual ist immer gleich: „Pferd putzen, verladen, umziehen, Zug reiten und das Ganze zurück. Zwei, drei Leute sind da schon jeweils drei Stunden beschäftigt“, sagt Kathagen.

Jeff steht Freitag noch in seiner Box beim Resser Reiterverein. Kathagen betreibt seit 19 Jahren die Anlage an der Brauckstraße, seit 30 Jahren reitet er als St. Martin. „Das hat schon zu meiner Zeit als Küster in St. Barbara Erle angefangen.“ 45 Einstellpferde stehen auf dem Hof, 20 Tiere gehören dem Reitlehrer selbst. In der Halle drehen ein paar junge Reiterinnen frühe Runden, eine Mutter kommt mit zwei Mädchen zum Training. „Wir sind hier der größte Kindergarten Gelsenkirchens“, lacht Kathagen. Aufmerksam spitzt Jeff die Ohren und mampft Kräuterbonbons, die ihm der drahtige Mann als Leckerchen reicht. „Was gut ist für den Menschen ist auch gut für Pferde“, sagt er.

In voller Montur: Beim Martinsfest im Bulmker Park haben Ross und Reiter dieses Jahr ihren ersten großen Auftritt. Foto:  Cornelia Fischer
In voller Montur: Beim Martinsfest im Bulmker Park haben Ross und Reiter dieses Jahr ihren ersten großen Auftritt. Foto: Cornelia Fischer © Cornelia Fischer

Jeff „ist ein alter Herr“, 25 Jahre ist er auf den Hufen. Das rehbraune Polnische Warmblut hat ein beeindruckendes Schultermaß. „Eigentlich ist er ja ein großer Klotz, ein Bollertier, aber wenn Kinder dabei sind, wir er ganz vorsichtig“, sagt sein Reiter. Vor allem ist Jeff stressresistent. Lodernde Fackeln an der Strecke, bellende Hunde, Dutzende Kinderhände, die ihn am Zugende streicheln – nichts kann den Polen aus der Ruhe bringen. Selbst in manche Kirchen reitet Kathagen mit Jeff ein. „Das geht natürlich nur mit einem Pferd von dem man weiß, dass es kein Theater machen wird. Zu Jeff findet man immer einen Draht.“

Die Rollen sind klar verteilt: Der Mann im Sattel gibt den Heiligen in wallendem Umhang und römischer Uniform, Jeff das treue Tier. Die Bettler am Weg sind rar geworden. Meist wird die Martinsgeschichte mit Mantelteilung von Kindern in den Kirchen aufgeführt. Viel Text bleibt für Kathagen also nicht. In der Regel reitet er voran, flankiert auch mal den Zug, reitet die Reihe entlang, damit vor allem die Kinder das Duo sehen. St. Martin selbst hat ihn schon als Kind fasziniert. „Für mich war der Umzug immer das Größte“, sagt er. Seine Qualitäten als Heiliger Mann? „Man muss Tierliebe und Kinderliebe mitbringen. Und halt auch immer schön den Überblick bewahren.“

Jeff kaut derweil ein wenig Heu durch und knabbert zwischendurch an Kathagens Hand. Eine Masse Tier, eher ein Arbeitstier. Und dennoch: „Er weiß, wann er im Mittelpunkt steht. Dann präsentiert er sich. Auch Pferde sind ein bisschen eitel“, sagt der Reiter. Brust raus, Kopf erhoben geht es dann den Bläserkapellen voran. Gesungen, hat der Dauer-St. Martin festgestellt, werde mit den Jahren ja weniger. „Es sei denn, man hat einen Kindergarten, der kräftig mitschallert.“

Seine Martins-Montur bekommt Karlheinz Kathagen vorab von den Gemeinden gestellt. Die haben sie im Fundus oder vom Kostümverleih. Ein eigenes Kostüm macht für den Reiter keinen Sinn. „Nach dem Umzug ist die Kleidung oft nass oder verschmutzt. Das müsste man dann aufwendig reinigen lassen...“ Da schlüpft er lieber ins Leih-Outfit. Jeff hat es da einfacher. Trocknen, striegeln, fertig.