Gelsenkirchen.
„Für den Beruf wäre ich überall in Deutschland hingegangen“, sagt Linda Biewald, und ein strahlenderes Lächeln ist in diesem Moment kaum vorstellbar. Die 24-Jährige wird Maskenbildnerin.
Die junge Frau hat ihr Ziel mit beispielhafter Konsequenz verfolgt: Weil der Wunsch, beruflich in Richtung „Make-up-Artist“ zu gehen, so einfach nicht zu verwirklichen war, hat sie nach dem Abi erst eine zweijährige Ausbildung zur Friseurin absolviert, dann noch schnell die Meisterprüfung angehängt: „Jetzt bin ich endlich am Theater – da, wo ich immer hinwollte.“ Genau: am Musiktheater.
Seit dem 19. August geht die Mülheimerin noch einmal in die Lehre. Wie sieben weitere junge Leute, für die das erste von drei Ausbildungsjahren begonnen hat. Denn das MiR ist, was in der Öffentlichkeit kaum bekannt ist, nicht nur Musentempel, sondern auch Ausbildungsbetrieb.
Linda, die zwischen Werkstatt (tagsüber) und Schminktisch (abends vor und während einer Vorstellung) wechselt, knüpft gerade einen Bart. „Das ist immer der Einstieg für Neulinge – Backenbärte, Koteletten, kleine Teile eben.“ Gesteigert wird langsam. „Für eine Perücke braucht man an die 80 Zeitstunden, da lernt man, ruhiger, geduldiger zu werden.“ Stichwort lernen: Sie ist doch Friseurmeisterin. Gibt es denn noch etwas, was sie nicht über Haare und Frisuren weiß? „Ganz, ganz viel. Zum Beispiel historische Frisuren. Das wird heute im Friseur-Betrieb gar nicht mehr gelehrt.“ Auch in anderen Abteilungen, sagt MiR-Sprecher Christoph Nagler, etwa in der Schneiderei, werden Fertigkeiten und Techniken vermittelt, die sonst in Vergessenheit geraten sind.
Die Maskenbildner-Lehre am MiR hat Seltenheitswert, entsprechend sieht der Schulbetrieb aus. Die wenigen Maskenbildner-Berufsschulen werden länderübergreifend beschickt. Wenn Linda Biewald im Dezember zum ersten Schul-Block nach Köln muss, „dann sind wir in meiner Klasse nur sechs Leute aus NRW.“
Bequemer hat es Christina Tischkewitz. Zum Unterrichts-Block muss die Gelsenkirchenerin zum Kolleg Essen-Ost. Das ist für die künftigen Theatermaler zuständig. Nach der Ausbildung zur Malerin und Lackiererin hatte die 25-Jährige einige Praktika bei dem Horster Illusionsmaler Andreas Auffenberg absolviert. Und Auffenberg, beeindruckt von ihrem künstlerischen Talent, hatte schließlich eine Bewerbung am Musiktheater empfohlen.
Bewerberinnen gab es viele, sechs wurden schließlich zum Vormalen geladen, und am Ende des Tages stand für Andrea Borowiak, die Leiterin des Malsaales, die Wahl fest. Im Moment malt Christina, die auch plastisch gestalten muss (weil es im MiR keinen Plastiker gibt, übernehmen die Ma-ler die Aufgaben), an Bildern für das Kinderstück „Paula und die Riminos“. Denn ausgebildet, gearbeitet wird im-mer, nicht nur im Malsaal, mit Blick auf eine konkrete Produktion und in enger Abstimmung der einzelnen Gewerke.
Gleich mehrere Ausbilder (Bühneninspektor, Bühnenmeister, Chefbeleuchter...) hat Jan Witkowski (20), der sich nach der Mittleren Reife (Gertrud-Bäumer-Realschule) und dem Besuch des Berufskollegs für Technik und Gestaltung zur Fachkraft für Veranstaltungstechnik ausbilden lässt. Auf- und Abbau der Bühnen, Bedienung und Betreuung der technischen Einrichtungen, Licht- und Tontechnik. . . Die Ausbildung für den abwechslungsreichen Beruf des Veranstaltungstechnikers erfolgt im Verbund: MiR, emschertainment, Stage Systems und Stadt arbeiten zusammen. Für Jan heißt das: Im zweiten Lehrjahr kann er seine beim MiR erworbenen Kenntnisse und Erfahrungen in der Kaue oder der Emscher-Lippe-Halle einsetzen und vertiefen.