Gelsenkirchen.

Auf die Idee käme, trotz garantierter Aufmerksamkeit der Medien, heute wohl niemand: eine blau-weiß angepinselte Sau durchs Dorf zu treiben. Naja, nicht unbedingt durchs Dorf. Aber durch Schalke. Beziehungsweise über das Spielfeld in der Veltins-Arena.

Auf das „Schalke-Schwein“ wurde gleich mehrmals Bezug genommen bei der feierlichen Eröffnung der Ausstellung „Kicker, Kämpfer und Legenden“ im Saal der Neuen Synagoge. Es war der jüdische Metzger Leo Sauer, der in den Jugendjahren von Schalke derart sinnfällig seine Hingabe an den Fußballverein demonstrierte – wie überhaupt es in Gelsenkirchen vor allem jüdische Mitbürger waren, die Fleischer Arthur Herz und August Kahn etwa oder der Textilhändler Kornblum, die auf ihre Weise frühes Schalke- „Sponsoring“ betrieben, notfalls in Naturalien.

04-Ehrenpräsident Gerhard Rehberg und der Leiter des Instituts für Stadtgeschichte. Prof. Stefan Goch, holten das Generalthema der 2006 vom Centrum Judaicum in Berlin erstellten Sonderausstellung auf die lokale Ebene. Erzählten von besagtem Leo Sauer, der auch den Führerschein von Ernst Kuzorra bezahlte, von Franz Nathan, der 1926 im Presseausschuss des Vereins saß, aber auch von der Vereinnahmung nach 1933 und von der Aufarbeitung der NS-Geschichte u.a. mit dem Ergebnis, dass Fritz Szepan eben keine Straße rund um die neue Arena gewidmet wurde.

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In der Ausstellung, die auf neun großen, beidseitig betexteten und reich illustrierten Stelltafeln die Pionierarbeit und das Engagement jüdischer Spieler, Funktionäre, Trainer und Journalisten bis 1933 dokumentiert, rücken andere Namen in den Vordergrund. Walter Bensemann (1873-1934) vor allem, der nicht nur als 14-jähriger Fußball-Infizierter seinen ersten Club (FC Montreux) gründete und vier Jahre später den Karlsruher FV, sondern der auch bei der Gründung 1900 dem Deutschen Fußball-Bund seinen Namen gab und 1920 als Inhaber, Herausgeber und Chefredakteur das Magazin „Der Kicker“ ins Leben rief.

Beispielhaft für die „Urzeiten des Fußballs“ (Bürgermeister Klaus Hermandung) stehen auch Gottfried Fuchs und Julius Hirsch, die von 1911 bis 1913 zu den wichtigsten Spielern in der deutschen Nationalmannschaft gehörten. Das Spiel Niederlande-Deutschland 1912 in Zwolle (5:5; Fuchs traf ein-, Hirsch viermal) gilt Fußball-Historikern als bestes aller Spiele vor dem Ersten Weltkrieg.

Erstaunliches ist auch über den FC Bayern zu erfahren – etwa, der langjährige Präsident Kurt Landauer schon 1930 den besten und erfolgreichsten Fußball-Lehrer Europas nach München holte, den österreichischen Meister-Trainer Richard Dombri, der nach dem Bruch 1933 erst den FC Basel und später Feyenoord Rotterdam übernahm.

Die Ausstellung in der Neuen Synagoge ist vom 25. 10. bis 2.11. montags bis donnerstags von 9 bis 17 Uhr geöffnet.