„Rücken hat fast jeder“, so lautete das Thema des WAZ-Medizinforums. Egal ob Horst Schlämmer oder Otto Normalverbraucher, bei vielen Menschen machen die Wirbelsäule und die Rückenmuskulatur Probleme.
Tatsächlich leiden 85 Prozent aller Menschen in der westlichen Welt im Laufe ihres Lebens an Rückenschmerzen. Allerdings sind rund 70 Prozent nach sechs Wochen wieder beschwerdefrei, so Dr. Jens Richter, Chefarzt der Orthopädie und Unfallchirurgie im Marienhospital. Rund fünf Prozent aber werden chronisch. Ein Problem, so der Chirurg, ist, dass die Bandscheibe, der Stoßdämpfer der Wirbelsäule, nicht durchblutet wird. „Und alle Teile unseres Körpers, die nicht durchblutet werden, sind einem Verschleiß ausgesetzt.“ Operative Maßnahmen sollten aber das letzte Mittel sein. Und hier gibt es heute viele minimalinvasive Verfahren. Auch im Falle von Wirbelkörperbrüchen in Folge einer Osteoporose. „Die gebrochenen Wirbelkörper können mit einem Ballon angehoben werden“, so der Arzt. Und dann werden die Zwischenräume mit Zement aufgefüllt. Auch Bandscheibenvorfälle werden heute mit der Schlüssellochtechnik operiert. Bei kleineren Vorfällen wird von der „Grönemeyer-Technik“ gebrauch gemacht. „Dabei werden die gereizten Strukturen lokal mit einem abschwellenden und schmerzstillenden Mittel behandelt.“
Bevor man aber zum Messer greift, sollte man alle anderen Möglichkeiten ausschöpfen. So kann manchmal die gezielte Stärkung der Muskulatur helfen. Und dabei ist nicht das sichtbare Six-Pack gemeint. „Interessant ist nicht der äußere, sichtbare Rahmen“, so Anette Zannoth-Koch, Leiterin der Physiotherapie im Marienhospital. Die vielen kleinen Muskeln dahinter halten den Körper in Balance. „Das ist wie bei einem Ikea-Regal. Die Diagonalverstrebungen hinten halten das Regal in Form.“ Und eben diese Diagonalverstrebungen gilt es zu trainieren. Hierbei helfen passive Maßnahmen, wie etwa die manuelle Therapie, verschiedene Massagetechniken und die Wärmetherapie, und aktive Maßnahmen wie ein Haltungs- und Koordinationstraining und systemische Körperschulungen. Was genau gemacht wird, muss im Einzelfall entschieden werden und ist abhängig von den Bedürfnissen des Patienten. „Akrobatik müssen sie nicht vollbringen können.“
Bewegung hilft auch im Falle einer Osteoporose-Erkrankung, verriet Dr. Sabine Welling, niedergelassene Orthopädin. Und sie überraschte mit einer ungewöhnlichen Nachricht: „Hier ist Übergewicht gut.“ Menschen mit ein paar mehr Kilos am Körper erkranken seltener an der Krankheit, die die Knochendichte verringert und anfällig für Brüche macht. Besonders Frauen nach den Wechseljahren sind gefährdet. Mittlerweile aber auch Männer. Der beste Schutz ist eine ausreichende Zufuhr von Kalzium und Vitamin D. Rund ein Liter Milch täglich ist nötig, um den Körper ausreichend mit Kalzium zu versorgen. Das Vitamin D könnte der Körper selbst produzieren. „Dafür sollte man täglich mindestens 30 Minuten mit entkleideten Armen in der Sonne sein. Das ist bei uns im Winter schwierig“, riet die Ärztin, auch Vitamin D zuzuführen. Wer die Krankheit bereits hat, kann nur noch lindern. Und, ganz wichtig, Knochenbrüche verhindern. Im Alltag müsse man sich kontrollieren, so Welling, und Gefahrenquellen vermeiden. „Dazu gehört auch, dass man nachts einfach ein kleines Nachtlicht anlässt, um nächtliche Stürze zu verhindern.“
Vor allem wenn der Rücken schmerzt aber körperliche Ursachen nicht zu erkennen sind, ist Dr. Jutta Richter gefragt. Die Psychologin erklärte den richtigen Umgang mit Schmerzen, die sich bereits binnen drei bis sechs Monaten im Gehirn verfestigen. Es entsteht ein sogenanntes Schmerzgedächtnis. „Das funktioniert wie Phantomschmerzen.“ Es meldet Schmerzen, auch wenn die gar nicht da sind. Schmerz ist ein großer Stressfaktor, so die Psychologin. Und er bereitet Stress. „Das ist eine Negativspirale.“ Und diese gilt es aufzubrechen. „Man sollte sich aktiv mit dem Schmerz auseinander setzen“, so Richter. „Das Schmerzgedächtnis ist umkehrbar. Das braucht seine Zeit, aber nicht so lange, wie es gedauert hat, Schmerzpatient zu werden. Dazu ist wichtig, die schmerzfreien Phasen zu genießen.“