Der Klitschko-Kampf in der Schalker Arena rückt näher, doch beim BC Erle 49 hält sich die Vorfreude in Grenzen.
Ganz Gelsenkirchen fiebert dem Schwergewichts-Kampf von Vladimir Klitschko gegen Ruslan Chagajew am 20. Juni in der mit über 60 000 Boxfans gefüllten Schalker Arena entgegen. Ganz Gelsenkirchen? Nun, beim Box-Club Erle 1949 ist alles so wie immer: Montags Konditionstraining, mittwochs Sparring, freitags Taktik- und Technikschulung. Montags ist es im kleinen Boxraum hinter der Musikschule in Erle besonders kuschelig: Nach zehn Minuten intensivem Konditionsbolzen dampft der Saal, ein Gemisch aus Blut, Schweiß und Tränen (gerne auch etwas strenger) legt sich über den Linoleumboden. Vorne gibt Ralf Beisler, Boxer seit ewigen Zeiten und mit den sekundären Merkmalen ausgestattet (Handschuh am Goldkettchen, Rolex-Imitat) seine barschen Kommandos. Der 56-Jährige, seit sieben Jahren Trainer der Box-Abteilung, wäre gerne zum Klitschko-Kampf gegangen, ebenso wie die rund 30 Trainingsteilnehmer - aber niemand hat Karten bekommen. „Vitamin B” hat diesmal völlig versagt, und „500 Euro für ne VIP-Lounge-Karte, das sehe ich dann doch nicht ein”, brüskiert sich Beisler.
Und auch sonst sind sich Amateurboxer und die paar berühmten Profis nicht gerade grün - die Kluft ist zu groß geworden. Der Boxsport, so Beisler, habe sich insgesamt verschlechtert: „Früher wurde noch auf stilistische Elemente geachtet, heute geht es nur noch um Treffer. Da sitzt einer und drückt Rot oder Blau.”
Auch aus dem Fernsehen sei der Amateurboxsport längst verschwunden, der Kopfschutz tat sein Übriges, da „erkennst du ja keinen mehr.” Die sogenannte Bundesliga besteht gerade noch aus vier Teams, die es sich finanziell leisten können, da kämpfen dann die eingekauften Litauer.
So liegen die besseren Tage des BC Erle schon einige Zeit zurück: Auf dem Regal im Vereinsheim steht noch der Pokal von der Bundesliga-Meistermannschaft aus dem Jahr 1989. Unvergessen auch die sechs deutschen Meistertitel von Michael Kopzog oder die olympische Bronzemedaille von Reinhard Skricek 1976 in Montreal.
Die Zukunft des Vereins heißt vielleicht Nuri Yesil, der 17-Jährige ist NRW-Meister und beim Konditions-Training - dazu läuft stilecht die Titelmelodie von „Rocky” vom Band – heiß wie Frittenfett. Motto: Immer ein bisschen mehr machen als die anderen. So träumt Yesil wie viele in seinem Alter vom Deutschen-Meister-Titel, aber auch Sparringspartner bei den Profis wäre schon ein großes Ding: „Ist egal, mit wem, das würde ich sehr gerne machen.”
Mit 17, 18, so Beisler, müssten sie schon 50 Amateurkämpfe bestritten haben, sonst wäre der Zug nach oben abgefahren. Da kämen dann die Manager und unterbreiteten den Kandidaten ein Angebot für Liga-Kämpfe. So 400, 500 Euro, die Spitzenkämpfer bis zu 1000 Euro pro Kampf, wären zu verdienen.
Bei allem Ehrgeiz und Feuereifer, den die Erler Box-Schüler an den Tag legen, eins geht gar nicht: Wer glaubt, er könne sich im Box-Club das technische Know How aneignen, um im Straßenkampf den „dicken Max” zu machen, der ist hier an der falschen Adresse: „Das habe ich allen klar gemacht, wenn die Polizei hier anruft und jemand war in eine Schlägerei verwickelt, der kann hier sofort seine Sachen packen.” Das setzt der Trainer durch, notfalls mit harter Hand. Gelernt ist gelernt.