Gelsenkirchen. .

„Guten Tag Herr Doktor!“ Wenn die ausgestreckte Hand vom Arzt nicht mehr angenommen wird, hat das nichts mit fehlender Erziehung oder gar Überheblichkeit zu tun, sondern mit Vorsorge im Interesse aller. Es geht konkret um das Eindämmen des brandgefährlichen Keims MRSA.

Vor einem Jahr wurden in allen Krankenhäusern Gelsenkirchens neuaufgenomme Patienten auf den gefährlichen MRSA-Keim untersucht - das Ergebnis dieser Studie an 5094 Patienten liegt nunmehr der Stadt vor: Danach waren damals 2,5 Prozent Ahnungslose tatsächlich MRSA-Keimträger. Eine Zahl, die - so Klaus Mika, Leiter des Referats Gesundheit der Stadt - durchaus mit anderen Regionen vergleichbar sei.

Das Gelsenkirchener Netzwerk „Gemeinsam gegen MRSA“ - in dem sich die Krankenhäuser, niedergelassene Ärzte, ambulanten Pflegedienste, die Pflegeeinrichtungen, die Rettungsdienste und die Krankentransportunternehmen sowie das Hygiene-Institut des Ruhrgebiets verzusammen geschlossen haben - will diese Quote aber weiter senken.Dieser Erreger ist so gefährlich, weil er gegen viele der gängigen Antibiotika resistent ist. Er kann deshalb bei bestimmten Patienten mit Risikofaktoren während eines Krankenhausaufenthaltes oder in einer Pflegeeinrichtung schwere Infektionen auslösen. Gesunde Menschen dagegen können Träger dieses Keim sein, ohne dies zu merken.

Ein Jahr danach fasst die WAZ einmal vor Ort nach und fragt, was seit dieser Untersuchung an den hiesigen Krankenhäusern im Kampf gegen diesen gefährlichen Erreger unternommen wurde.

Ins Auge fallen beim Gang durch Krankenhäuser die zahlreichen Desinfektionsspender, die nicht nur im Ückendorfer Marienhospital in bzw. vor jedem Krankenzimmer eingebaut wurden. Allerdings beziehen einige Besucher bis heute diese Spender auf die (seinerzeit auch grassierende) Schweinegrippe.

Im Marienhospital reagierte man auf die Unwissenheit der Bürger mit einer MRSA-Broschüre, wie der ärztliche Direktor Prof. Dr. Philipp Dost, dazu erklärte. Man habe die Besucher direkt angesprochen, sie auf dieses Problem aufmerksam gemacht und sei auf großes Verständnis gestoßen, lobte auch die Hygienebeauftragte des Hauses Andrea Dißelbeck.

Die Untersuchung vor einem Jahr habe gezeigt, welche Patienten besonders gefährdet sind, sich mit diesem Keim anzustecken. Und genau dieser Patienten werden bis heute bereits bei der Aufnahme auf MRSA untersucht. Wenn der Keim festgestellt wird, kommt dieser Patient sofort in ein Isolierzimmer auf den jeweiligen Stationen.

Dr. Dost: „Die meisten Keime werden Hand zu Hand, Hand zu Nase, Hand zu Wunde übertragen. Dagegen muss etwas unternommen werden“. Das beginne beim regelmäßigen Händewaschen, reiche gegebenenfalls über eine Desinfektion bis hin zur Begrüßung ohne Händedruck. Andrea Dißelbeck: „Besucher sollten sich zudem auch fragen, ob sie wirklich in jeder Situation unbedingt einen Krankenbesuch machen müssen.“ Mit Blick auf die Noroviren verneint sie Besuche, wenn man beispielsweise unter Durchfall leide.

Auch in den evangelischen Kliniken sind die vom Netzwerk aufgestellten Standards im Kampf gegen MRSA umgesetzt worden, auch hier finden sich überall Desinfektionsspender. Für Professor Dr. Claus Doberauer warf das Screening vor einem Jahr aber auch eine beunruhigende Frage auf: von den 2,5 Prozent Betroffenen gehörten immerhin 0,6 Prozent keiner sogenannten Risikogruppe an. Das stimme nachdenklich und man frage sich, ob die vom Robert-Koch-Institut definierten Risikofaktoren überhaupt ausreichend sind. Seit 2008 macht das EVK übrigens bereits gezielte MRSA-Tests bei Risikoneuzugängen.

Pro MRSA-Patienten können bei einer Infektion Kosten bis zu 17 000 Euro auflaufen. Aus Kostengründen ein grundsätzliches Screening bei allen Neuzugängen abzulehnen, wie derzeit der Fall ist, stoße deshalb auf nicht großen Beifall. Dr. Doberauer sieht in Zusammenhang mit dem MRSA-Keim aber dennoch einen Silberstreif am Horizont: Es gebe ein einheitliches Umdenken zumindest der Klinikärzte im Umgang mit Antibiotika. Denn es war der jahrelange allzu sorglose Umgang damit, der diesen Keim erst zu einem resistenten Gefahrenpotenzial hat werden lassen.