Gelsenkirchen.

Nach einer Studie des Pestel-Institutes aus Hannover fehlen 2025 in Gelsenkirchen 6240 altengerechte Wohnungen. Die Statistiker warnen daher vor einer drohenden „grauen Wohnungsnot“.

Ganz neu oder gar überraschend ist die Erkenntnis nicht, dass in den Städten wie Gelsenkirchen mit zunehmendem Altersdurchschnitt und zugleich schrumpfender Bevölkerung der Bedarf an barrierefreien Wohnungen ansteigen wird. Das Institut hat dies nun in seiner Studie zur „Wohnsituation im Alter“ nur statistisch erfasst und hochgerechnet. Danach wird es in 15 Jahren in Gelsenkirchen von insgesamt rund 120 000 Haushalten 31 220 Seniorenhaushalte geben, in denen mindestens ein Über-70-Jähriger lebt. Das werden neun Prozent mehr sein als heute.

„Wenn man davon ausgeht, dass nur jeder Fünfte auf eine Wohnung ohne Barrieren angewiesen ist, muss dringend saniert und neu gebaut werden – mit Türen, durch die ein Rollator oder Rollstuhl passt, und mit schwellenfreien Duschen“, meint Matthias Günther vom Pestel-Institut. „Senioren haben schlechte Chancen, in den eigenen vier Wänden alt zu werden“, warnt der Wissenschaftler und sieht einen „enormen Bedarf“. Es könne nicht sein, „dass ältere Menschen nur deshalb ins Heim müssten, weil sie zu Hause keine altersgerecht ausgebaute Wohnung haben“. Allein mit Umbauten im Bestand sei der Bedarf aber nicht zu decken. Ein Teil der Altbausubstanz ließe sich nicht mehr barrierearm umbauen, wenn etwa ein Aufzug nicht nachträglich eingebaut werden könne.

Auftraggeber der Studie sind Verbände der Bau- und Immobilienwirtschaft und der Industriegewerkschaft Bauen Agrar Umwelt. Und dahinter steckt auch das Lobby-Ziel, die Kürzung von wohnungspolitischen Förderprogrammen durch den Bund zu verhindern. Das sei ein „falsches Signal und kontraproduktiv“ so der Koordinator der Kampagne „Impulse für die Wohnungswirtschaft“, Ronald Rast.

Lobby oder nicht, Gelsenkirchens Seniorenbeauftragter Wilfried Reckert, begrüßt den Vorstoß der Wohnungswirtschaft. Erst die kürzlich vorgelegte Bilanz des städtischen Seniorenmasterplanes legt eindeutig das Defizit klar, dass der Bedarf an seniorengerechten Wohnungen groß ist. Beratungsgespräche zeigten zudem, dass die älteren Menschen innenstadtnah wohnen wollen, mit Geschäften, Ärzten, Apotheken in der Nähe. Und auch der Chef der städtischen Wohnungstochter GGW, Harald Förster, hatte zur Wohnungsbörse Ende August den den Bedarf an seniorengerechten Wohnungen ausdrücklich betont.

Anreize für Private

Ein Instrumentarium öffentliche Fördermittel für den Umbau- oder Neubau altengerechter Wohnungen gibt es. „Was das Land uns zuteilt, wird auch ausgegeben“, so Reckert. Für 2008 weist eine Übersicht des Seniorenbeauftragten den Bau von knapp 150 geförderten barrierefreien Wohnungen aus, 2007 waren es 80 und im vergangenen Jahr knapp 80. Derzeit werden u.a. die 56 Wohnungen in der Klimaschutzsiedlung in Ückendorf barrierefrei gebaut und die GGW errichtet im Hasseler Möbelhof über 20 seniorengerechte Wohnungen.

Reckert wie auch das Pestel-Institut machen allerdings das Manko aus, dass Bauträgermaßnahmen für das Wohnen im Alter meist von Wohnungsbaugesellschaften ausgehen. „Das privat finanzierte barrierefreie Bauen reicht nicht aus, um den Bedarf zu decken“, heißt es im Seniorenmasterplan-Bericht. 80 Prozent des Gelsenkirchener Wohnungsbestandes liegt aber in privaten Eigentümerhänden, nur 20 Prozent ist in Besitz größerer Gesellschaften. Das Institut fordert daher bessere Anreize für private Investoren. „Auf jede Wohnung, die barrierefrei gebaut ist, mit Zugängen, Aufzug und allem, was Senioren etwa mit Gehbeeinträchtigungen brauchen, kommen mindestens zwei, drei, vier Bewerber“, bilanzierte Reckert schon vor zwei Jahren.