Gelsenkirchen. .

Nach 174 Jahren sind es Käfer und Pilze, die dem Fachwerkbau des Lahrshofes den Garaus machen. Die Substanz sei nicht mehr sanierungsfähig, stellte jetzt Bernd Gebert vom zentralen Immobilienmanagement der Stadt, wie berichtet vor der Bezirksvertretung in Bismarck fest.

Es waren nicht die britischen 6460 Spreng- und gut 167000 Brandbomben an jenem schwarzen Montag am 6. November 1944, die Gelsenkirchen nahezu in Schutt und Asche legten, es war nicht das Aus des Bergbaus ab 1966, das dem alten Fachwerkgebäude an der Franziskusstraße das endgültige Ende bereitete, es ist die unheilige Allianz von Käfern und Pilzen, denen die Stadt allen Hoffnungen zum Trotz nun doch nicht Herr werden konnte. Eine tödliche Allianz für derartige Bauten aus Holz und Lehm, aus denen dieser alte zum Teil seit 1987 unter Denkmalschutz stehende Haupthof besteht.

Der Fachwerkhof wurde in der Kohlehochzeit als Gesundheitshaus genutzt und wurde so zum Dreh- und Angelpunkt für kranke und verletzte Bergleute und deren Familien, die sich hier erholen sollten. Als dann aber der letzte Deckel auf den letzten Schacht in Bismarck kam, gab die Ruhrkohle auch die Nutzung dieses Gesundheitshauses auf und ließ die Gebäude und das Gelände ungenutzt liegen.

Der Stadt lag sehr am Erhalt der ortsteilgeschichtlich wertvollen Hofanlage, sie mietete deshalb 1997 die Gebäude von der Montan Grundstücksgesellschaft an, 1998 kaufte sie das Ganze. Damals entwickelte das Stadtteilbüro zusammen mit dem Gesundheitsamt und dem Jugendamt ein langfristiges soziales Nutzungsprogramm, das sowohl ein neues Gesundheitshaus (im Haupthaus)beinhaltete, als aber auch eine Kindertagesstätte, eine Jugendberufshilfeeinrichtung mit Stadtteilcafé (Scheune) und einen kleinen für die Öffentlichkeit zugänglichen Park.

Im Juni 1997 öffnete das neue Gesundheitshaus als Anlauf- und Beratungsstelle für Gesundheitsfragen in Bismarck. Ziel dieses neuen Zentrums war jetzt aber die Vorbeugung und nicht - wie zuvor - die Wiederherstellung der Gesundheit.

Um die beiden Gebäude wieder auf die Beine zu stellen, wurde der Trägerverein „Gesundheitshaus in Bismarck“ geschaffen, an dem neben der Stadt Gelsenkirchen, der Apothekenverein, Krankenhäuser, sowie die ELE und die Volksbank engagiert waren. Auch das Land leistete Hilfen in der ersten Zeit durch das Städtebauministerium und dann seitens des Gesundheitsministeriums.

Die für die Umbauten erforderlichen Arbeiten erfolgten in Form eines Kooperationsprojektes von Baufirmen mit einer Arbeitsförderungsgesellschaft und der hiesigen Jugendberufshilfe. So wurden etwa 50 langzeitarbeitslose Jugendliche und Sozialhilfeempfänger am Bau beschäftigt und konnten sich qualifizieren. Auch bei der Sanierung des ehemaligen Scheunengebäudes lernten 30 Jugendliche alte Bautechniken - hier die des Lehmbaus - kennen.Das Gesamtprojekt Lahrshof kostete seinerzeit gut 6,7 Millionen Mark, die zum Teil durch das Land gefördert worden wurden.

Nach den ersten Hinweisen auf den Verfall der Holzträger - so Stadtsprecher Martin Schulmann weiter - im eigentlichen Hof, wurde 2006 ein erstes Gutachten in Auftrag gegeben, dem 2007 ein weiteres Gutachten eines Holzsachverständigen folgte. Konsequenz damals: der akut einsturzgefährdete Südgiebel musste sofort mit einer Stahlkonstruktion provisorisch gestützt werden, bevor er vollständig erneuert werden sollte, hieß es 2007. Auch Nordgiebel und Ostseite galten vor drei Jahren bereits als stark geschädigt - etwa die Hälfte der Hölzer hätte ausgebaut werden müssen. Auf dem Dachstuhl waren die Sparren ebenfalls durch den Holzwurm stark geschädigt. Seinerzeit wurde noch von Sanierungskosten von 1,6 Mio. Euro ausgegangen, wenn die Jugendberufshilfe wieder diese Arbeiten übernimmt.

Als dann aber entkernt und die Holzkonstruktion Anfang 2010 großflächig freigelegt wurde, erkannte die Stadt, dass keinerlei Rettung mehr für den Hof besteht, denn alle Holzträger sind irreparabel vom Wurm durchbohrt, durchlöchert.