Eine Wäscheleine ist am Bahnhofsvorplatz gespannt. An ihr hängen circa 15 weiße Hemden, die knatternd im Wind flattern. Auf ihnen stehen provokante Sprüche wie: „Herz statt Hartz“ oder „Champagner für die Reichen - Kranwasser für die Armen“.
Der Protest der bundesweiten Aktion „Letztes-Hemd“ gilt den Sparmaßnahmen der schwarz-gelben Bundesregierung. Die Hartz-IV Selbsthilfegruppe des Industrie- und Sozialpfarramtes der evangelischen Kirche (ISPA) hatte zuvor dazu aufgerufen, sprichwörtlich das „letzte Hemd“ zu geben. Wer kein eigenes mitbrachte, wurde vor Ort versorgt. So macht auch Mike Davidt seinem Ärger Luft. Er selbst ist ALG II-Bezieher. „Es kann nicht sein, dass Kinder aus Hartz IV-Familien kein Geld für Schulbücher haben, während Manager das Geld scheffeln - da bleibt die Bildung auf der Strecke und das kann nicht sein“, sagt er. Beim Vorbeigehen war er auf die Aktion aufmerksam geworden. „Die Aktion ist sehr gut“, sagt er, „endlich packt mal einer Fakten auf den Tisch.“ Seine Hemd-Botschaft: „Politiker erhören ihre Diäten. Kleine Leute leben am Existenzminimum.“ Auch Marco Busche ist ALG II-Bezieher. „Ich weiß noch nicht, ob die Aktion was bringt. Es wird viel zu viel ignoriert“, sagt er. Seine Hemd-Botschaft: „Ihr wollt sparen? Raus aus Afghanistan!“
Monika Wiehmert von der ISPA-Gruppe ist von der Aktion überzeugt: „Je größer die Aktion ist, desto mehr kann man erreichen. Nur gemeinsam können wir etwas verändern.“ „Kann ich mein Hemd gleich hier lassen?“, fragt ein älterer Herr in weißem Hemd. Er wolle die Aktion auch unterstützen. Sein eigenes muss er natürlich nicht opfern. Schnell reicht man ihm eins zum beschriften. Mit dem Gelsenkirchener Anteil ist Sozialpfarrer Dieter Heisig zufrieden: „Die Wut und Enttäuschung der Leute ist so groß, dass sie ihre Kritik auch offen äußern“, sagt er.