Normale Bürgersteig-Kanten, Treppen, schwere Eingangstüren: für Beate S. sind sie unüberwindbar. Doch es gibt auch die kleinen Hürden, die ihr das Leben schwer machen, die sie ausgrenzen und sie auf fremde Hilfe hoffen lassen müssen. Beate S. sitzt im Rollstuhl. Das verändert nicht nur die Perspektiven. Es schränkt auch den Lebensraum ein und führt immer wieder vor Barrieren.

Beispiel Arbeitsagentur: Dort ist nach dem Umbau der kostenfreie Behindertenparkplatz weggefallen, was Umstände macht. Der Kassenautomat ist zwar über eine Rampe zu erreichen, aber so gestaltet, dass Beate. S. nicht unterfahren kann. Aus dem Rollstuhl ist der hohe Münzeinwurf für sie so nicht erreichbar.

Beispiel Markthalle Buer: Jede Menge Lokale, aber keine behindertengerechte Toilette im Haus. „Da muss man sich seit zehn Jahren ärgern“, findet Manfred Liebich vom lokalen Bundesverband Selbsthilfe Körperbehinderter. Dass außen vor am Kiosk eine öffentliche, barrierefreie Toilettenanlage geschaffen wurde, beseitigt aus seiner Sicht den Mangel nicht-

Beispiel Hauptbahnhof: „Deutschlandweit an Raststätten gibt es Universalschlüssel, die Behinderten freien Zugang zu den Toiletten ermöglichen“, sagt Beate S. „Aber hier müssen wir für die Nutzung 50 Cent zahlen.“

Beispiel Kanten, Straßenpflaster oder Überfahrten: Selbst drei Zentimeter Höhenunterschied, weiß Liebich, dessen Frau im Rollstuhl sitzt, sind da oft schon zu viel. „Ein rollender Gegenstand kann keine Kanten gebrauchen.“ Ebenso wenig Holperpflaster und auch keine unebenen Gleisüberfahrten.

Das alles weiß auch Wilfried Reckert, der in der Stadt die Senioren- und Behindertenplanung koordiniert und weiß: In beiden Gruppen gibt es große Überschneidungspunkte. Was der einen hilft ist auch der anderen dienlich – und kommt letztlich allen zugute. Denn Treppen sind nicht nur für Alte Hindernisse, sondern auch für junge Mütter mit Kinderwagen.

Zumindest in öffentlichen Gebäuden versucht Gelsenkirchen seit 2000 vorbildlich zu wirken. Damals wurde (einstimmig) der Ratsbeschluss abgesegnet, bei allen öffentlichen Bau- und Planungsmaßnahmen die „Checkliste Barrierefreiheit“ anzulegen und die Behindertenverbände einzubeziehen. Der Selbstverpflichtung kommt die Stadt seither nach. Reckert: „Das funktioniert im Großen und Ganzen gut.“

Das erste große Projekt, das so angegangen wurde, war der Bahnhof, aktuell sind es der Urbanus-Kirchplatz in Buer oder der Umbau der Treppenanlage an der Ahstraße. „Auch das Neue Hans Sachs Haus“, kündigt Reckert an, „wird bis ins Detail mit Behinderten-Verbänden abgesprochen.“

Ein paar Punkte von der Checkliste

Ein paar Basis-Regeln jenseits von DIN-Größen und Bewegungsradien aus der Checkliste: Zugänge müssen überall breit genug und schwellenfrei gestaltet werden, Haus-Nummern sollen groß und beleuchtet sein, Sprechanlagen und Klingeln müssen in entsprechender Höhe und taktil erfassbar sein. Stufen, so Reckert, sollten vermieden oder kontrastreich gezeichnet werden. Bodenbeläge im Eingangsbereich müssen trittsicher, hell, blendfrei sein. Letzteres gilt auch für die Beleuchtung. Und: Sitzbänke sollten beispielsweise eine bestimmte Höhe haben, die nach der Rast das Aufstehen erleichtert. Für Umbauten an Ampelkreuzungen und Straßenbaumaßnahmen gilt eine Prioritätenliste. Ampelanlagen werden blindengerecht ausgelegt, in die Gehwege werden Leitsysteme und Aufmerksamkeitsfelder eingebaut, Bushaltestellen werden auf barrierefreie Niederflur-Technik ausgerichtet.

Das geht alles nur nach und nach. Schwachpunkte bleiben. Das sieht auch Reckert. „Der Übergang zum Musiktheater über die Gleise“ ist aus seiner Sicht beispielsweise „alles andere als ideal“. Das gilt auch oft für die Kommunikation mit privaten Bauherren. „Uns gelingt es leider nicht immer sie frühzeitig zu animieren, sich bei der Planung helfen zu lassen“, so Reckert. „Das sind die Dinge, die Wirbel bereiten. Das kann man oft nur nachträglich ändern. Und oft ist der Umbau viel teurer, als wenn man vorab richtig geplant hätte.“

Ortstermin am Parkplatz

Der Parkplatz vor der Arbeitsagentur und dem Integrationscenter für Arbeit an der Vattmannstraße wird am Donnerstag zum Treffpunkt für SPD-Stadtverordnete. Nach dem Umbau gibt es dort zwar zwei neue Behindertenparkplätze, allerdings ist der kostenfreie Stellplatz weggefallen. Über die „hierdurch entstehenden Probleme“ wollen sich der Sozialausschuss-Vorsitzende Lutz Dworzak und der sozialpolitische Fraktions-Sprecher Axel Barton informieren und vor Ort mögliche Lösungen erörtern.

Mit dabei um 16 Uhr: Udo Brückner, Vorsitzender des Beirats für Menschen mit Behinderung.