Im wichtigsten Augenblick einer werdenden Mutter - bei der Geburt - wird die Frau immer häufiger auf ein vertrautes Gesicht, auf vertraute Hände und auf eine vertraute Stimme verzichten müssen: die „ihrer“ Hebamme. Die Frau, die sie die vielen Wochen zuvor begleitet, angeleitet und ihr mit Rat und Tat zur Seite gestanden hat, die mehr Freundin als Fremde ist, bleibt bei der Geburt vor der Tür.

Der Grund: Die Haftpflichtversicherer haben die Prämien für selbstständige Hebammen drastisch erhöht, angeblich um für Schadensfälle gerüstet zu sein. Musste eine solche Hebamme bislang 2500 Euro Jahresbeitrag bezahlen, so kostet sie dies jetzt stattliche 3700 Euro.

Wer sich nur um die Vor- und Nachsorge der Mütter kümmert, also nicht Geburtshilfe betreibt, bei dem bleibt alles beim alten. Diese Prämienerhöhung bedeutet für die selbstständigen auch in der Geburtshilfe tätigen Hebammen seit 2007 eine Verdreifachung ihrer Kosten. Das sei nicht mehr zu bezahlen, berichtet die Vorsitzende der Hebammenzentrale Gelsenkirchen, Michaela Flemming, zumal viele ihrer Kolleginnen in Teilzeit arbeiten.

Auch bei ihnen heißt es, den jährlichen Riesenbatzen an die Haftpflichtversicherung zu stemmen, gleichgültig ob sie 50 oder 500 Geburten begleiten. Bundesweit arbeiten rund 18 000 Hebammen. Dreiviertel von ihnen sind in der Geburtshilfe tätig. Da die Prämienerhöhung nicht aufzufangen ist, wird man einen Gang zurückschalten, wie es jetzt bereits Eva-Maria Prettenhofer macht, die ihre Selbstständigkeit komplett an den Nagel gehängt hat und „nur“ noch als städtische Familienhebamme in Gelsenkirchen im Einsatz ist. Das geht zulasten der vielen Mütter, die im Kreißsaal eben nicht mehr die vertraute Hand spüren werden. Die nicht mehr zu Hause in ihrem eigenen Umfeld ihr Kind zur Welt bringen können. Die Nachfrage danach steigt jedenfalls, wie der Bundesverband feststellt: Allein mehr als 400 Anrufe sind in diesem Jahr bereits bei der hiesigen Hebammenzentrale eingangen.

Geht der Ausstieg der selbstständigen Hebammen aus dem Kreißsaal nur zulasten der Mütter? Dazu Chefarzt Dr. Alexander Ast von den evangelischen Kliniken: „In erster Linie geht er natürlich zulasten der werdenden Mütter, weil sie nämlich bei der Geburt mit völlig fremden Menschen konfrontiert werden.“ Was einer entspannten Geburt nicht förderlich sei. Geld sei da, um den Banken mit Milliarden aus der Patsche zu helfen, aber was ist die Volksgesundheit der Politik wert, fragt sich der Mediziner.

Auch das Krankenhaus wird langfristig den Rückgang dieser Hebammen zu spüren bekommen, was Michaela Flemming nur unterstreichen kann. „Die Situation in den Kreißsälen wird sich verschärfen, das derzeitige Personal wird noch mehr leisten müssen. Nicht mehr ausreichen.“

In den evangelischen Kliniken arbeiten in der Gynäkologie sieben angestellte Hebammen, daneben kommen aber selbstständige (Beleg-)Hebammen mit ihren Müttern zur „arztfreien“ Geburt in die evangelischen Kliniken.„Ich kenne diese Hebammen seit langem, sie bringen die nötige Vertrautheit mit, die sich positiv auf die Geburt auswirkt. Und ich weiß, dass ich mich auf sie verlassen kann.“ Dr. Ast bedauert, wenn diese Hebammen aus Kostengründen nicht mehr in der direkten Geburtshilfe tätig sein können, denn ihre Hilfe sei eigentlich unersetzlich.