Gelsenkirchen.
Kamil Yildirim lacht gerne. Auch jetzt, im Lalok. Der Kaffee schmeckt und er kann von seinem Leben erzählen. 69 Jahre alt ist Kamil Yildirim, 41 davon hat der gebürtige Türke in Deutschland verbracht.
Er war einer der ersten Türken, der 1969 als so genannter Gastarbeiter in Deutschland anheuerte. „Ich habe damals in einer Gießerei gearbeitet“, erzählt er. „Eines Tages kam mein Chef zu mir und fragte, ob ich in Deutschland arbeiten wolle.“ Natürlich habe er zugesagt. „Kurz darauf kamen Mitarbeiter von Thyssen in unsere Fabrik und haben sich meine Arbeit angeschaut. Dann ging es ganz schnell.“
Damals ist Kamil Yildirim 27 Jahre alt, als er die Türkei verlässt 28. „Ich war jung und habe mich auf die Arbeit gefreut“, erinnert er sich. Die Begrüßung in Gelsenkirchen sei herzlich gewesen, meint Yildirim: „Ich wurde am Bahnhof empfangen und habe sogar einen Blumenstrauß bekommen. Ganz so, wie man es aus alten Filmaufnahmen kennt.“
Dass er seine Frau und seine zwei kleinen Kinder zurücklassen muss, ist allerdings hart für ihn. Genauso wie der Anfang: „Ich konnte die Sprache nicht, eine Wohnung zu finden war schwer. Die ersten Monate habe ich in einem Übergangswohnheim gelebt.“ Elf Monate arbeitet Yildirim ohne Urlaub zu nehmen, dann reist er in die Türkei zurück, holt seine Frau und die beiden Kinder nach Deutschland.
Auch eine Wohnung findet er jetzt. „Aber die wurde vorher als Schweinestall genutzt“, erinnert er sich. „Es hat lange gedauert, bis wir alles sauber hatten und der Gestank raus war.“ Nebenher fängt Kamil Yildirim an, deutsch zu lernen. Gemeinsam mit Kollegen oder alleine. „Aber ich habe ja nie einen Sprachkurs besucht, wie es sie heute gibt. Ich musste gut zuhören, wenn die deutschen Kollegen die Vokabeln aussprachen und dann versuchen, es nachzumachen.“ Aber das habe gut funktioniert, immerhin könne er heute alles wichtige erledigen. Und zur Not sind da ja immer noch die Kinder sagt er und lacht: „Die sprechen perfekt Deutsch.“
Dass er immer noch in Gelsenkirchen lebt, habe er so nie geplant, erzählt Yildirim: „Eigentlich wollte ich nur fünf oder sechs Jahre hier arbeiten, Geld verdienen und dann zurück in die Türkei.“ Aber dann seien zwei weitere Kinder geboren worden. „Die werden älter, gehen zur Schule. Da kann ich nicht einfach wieder gehen“, sagt er lachend.
Seine Arbeit in Deutschland habe sich deutlich von dem unterschieden, was er in der Türkei erlebt habe. „Auch in Gelsenkirchen war ich in einer Gießerei, aber die Arbeit war wesentlich angenehmer.“ Wo in der Türkei Metallbehälter gefüllt mit flüssigem Eisen von Hand transportiert werden mussten, übernahm das nun ein Kran. Hart war der Alltag dennoch: „Ich habe alles gemacht: Stapler gefahren, in der Gießerei gearbeitet, Nacharbeit, Formen gebaut. 30 Jahre lang.“ Dann war Schluss für Kamil Yildirim. Die Gießerei musste schließen, er schied über einen Sozialplan aus. Inzwischen gibt es die Fabrik nicht mehr, ein Lebensmittelmarkt hat dort eröffnet. „Mir tut das Herz weh, wenn ich dort vorbei fahre“, erzählt der 69-Jährige. „Hier haben so viele gute Leute gearbeitet und nun ist alles weg.“
Mehrfach ist Kamil Yildirim in seiner Gelsenkirchener Zeit umgezogen. Zuerst in eine Wohnung in einer ehemaligen Polizeisiedlung: „Da lebten nur Deutsche und die haben damals sogar Unterschriften gegen unseren Einzug gesammelt.“ Erst ein Bericht in der Zeitung habe es ihm möglich gemacht, in die freie Wohnung einzuziehen. Heute lebt Kamil Yildirim im eigenen Haus, zwei seiner Kinder leben bei ihm. „Wir fühlen uns hier wohl. Weg will keiner mehr. Gelsenkirchen ist unsere Heimat geworden.“
Sagt er, lacht und trinkt noch einen Schluck Kaffee.