Das Festival „Gaudium.2010“ führt drei Tage lang in die Welt von Mittelalter und Renaissance.
„Die Großereignisse sind im zweiten Kulturhauptstadt-Halbjahr nicht mehr so dicht gesät“: Für OB Frank Baranowski ist es „umso schöner, dass wir in Gelsenkirchen außer dem Märchen-Erzählfestival und -Kongress mit dem Renaissance-Fest ein weiteres großes Ereignis haben.“
Zumal es sich um ein Event handelt, „das nicht künstlich geschaffen und von außen eingekauft ist wie manches bei 2010.“
Das „Gaudium.2010“ vom 20. bis 22. August auf Schloss Horst entführt den Besucher in die Zeit des Übergangs zwischen tiefem Mittelalter und Renaissance; im Mittelpunkt der Geschichte, die drei Tage lang mit allen Sinnen erfahren werden kann, steht ein historisch belegtes Ereignis: Am 15. März 1575 gaben sich Bertram von Loe und Margarethe von der Horst, die Tochter des Schloss-Erbauers Rutger von der Horst, das Ja-Wort. Die Trauung fand zwar in Orsay statt – auf halbem Weg zwischen Horst und Bertrams Wohnsitz Haus Holten im heutigen Weeze; doch nach Rutgers Tod siedelte das Paar samt Kinderschar für einige Jahre nach Horst über.
Wie in jenen Tagen eine Adelshochzeit aussah, die sich über mehrere Tage erstreckte und den willkommenen Rahmen bot für die seit der Renaissance äußert beliebte inszenierte Selbstdarstellung mit nachhaltiger Breitenwirkung (in Adelskreisen), das haben die Theatermacherinnen Heike Beutel und Anja Niederfahrenhorst von „Künstler à la carte“ anhand zeitgenössischer Aufzeichnungen rekonstruiert. Ihre mit Schauspielern und Artisten entwickelte Inszenierung der Hochzeit von Bertram und Margarethe in drei Akten (3Tagen) bildet den Kern von Gaudium.2010. Drei Tage lang werden einige der renommiertesten deutschen „Living-history-Gruppen“ (u.a. „Communitas Gladii“, „Communis Pristina“, „Malleus Paganorum“ , „Amicorum Gratia“) ihre den historischen Vorbildern entsprechenden Lager rund um das restaurierte Renaissance-Schloss aufschlagen. Mit ihnen lassen Handwerker, Falkner, Gaukler und Possenreißer, Musiker, Sänger, Turnierkämpfer, Akrobaten und Marketender den Besucher an den Lebensweisen vom 12. bis 16. Jahrhundert teilnehmen. Rund 350 Akteure sind als „Hochzeitsgäste“ aktiv.
Dass sich auf dem Schlossgelände auch Ritter und fahrendes Volk aus dem 12., 13., 14. Jahrhundert tummeln, ist kein Zufall. Schließlich wurde ja nicht irgendwann die Spätgotik offiziell als beendet erklärt und ein neues Zeitalter ausgerufen; die Übergänge waren fließend, mit starken zeitlichen Verzögerungen und regionalen Unterschieden. „Horst hat ja nicht gleich als Renaissance-Schloss begonnen“, meint „Schlossverwalter“ Elmar Alshut. „Wir wollen zeigen, dass Horst eine Entwicklung durchgemacht hat; es ging hier ja schon um 1170 los.“ Entsprechend wird – angefangen beim einfachen Holzturm – auch darstellt, welche einzelnen Baustufen das Schloss durchlaufen hat.
Beim großen Ritterturnier, das natürlich nicht fehlt, geht es allerdings wieder streng „neuzeitlich“ zu. Aus dem Kampfspiel der vorangegangen Jahrhunderte war in der Renaissance eine Sportart des Adels geworden, die zu jeder großen Festivität gehörte. Nicht um Lanzen-Stechen, sondern Lanzen-Brechen ging es. Die zuschauenden Gäste erlebten keine kampferprobten Recken, sondern sportliche Wettkämpfer. Apropos Gäste: Die mussten zur Hochzeit Geschenke mitbringen. Insofern darf sich der zahlende Besucher des Gaudiums ebenfalls als Gast fühlen.