Gelsenkirchen.

Ungläubiges Erstaunen hat der überraschende Rücktritt von Bundespräsident Horst Köhler in Gelsenkirchens Politik ausgelöst.

„Ich bin erschüttert. Für mich scheint das eine Überreaktion. Ich habe die öffentliche Kritik an seinen Äußerungen zu den Militäreinsätzen so nicht wahrgenommen“, erklärte der ehemaligen CDU-Parteivorsitzende und Bundestagsabgeordnete Wolfgang Meckelburg, der im Mai 2009 zu den fünf Gelsenkirchener Vertretern der Bundesversammlung zählte, die an der Bundespräsidentenwahl teilnahmen.

Noch kürzer zurück liegt der letzte Besuch Köhlers in Gelsenkirchen, der mit großem protokollarischen Aufwand im Schloss Horst sein Ende gefunden hatte. Köhler hatte unter anderem die Schalker Arena besichtigt, dort auch Felix Magath getroffen und abends das 200-köpfige Diplomatische Korps zum Empfang ins Schloss geladen.

Dort hatte ihn auch Oberbürgermeister Frank Baranowski begrüßt und eigens eine neue Seite im Goldenen Buch der Stadt für das Staatsoberhaupt gestalten lassen. „Ich bin völlig überrascht. Und ich kann die Gründe für den Rücktritt nicht nachvollziehen. Respekt vor dem Amt heißt ja nicht, dass man außerhalb jeglicher Kritik steht“, so der OB. Ein Bundespräsident müsse ertragen können, dass seine Äußerungen Gegenstand politischer Diskussionen sind: „Johannes Rau ist auch oft kritisiert worden. Man schmeißt so ein Amt nicht einfach hin.“

Von einem „schweren Schlag“ spricht der CDU-Landtagsabgeordnete Oliver Wittke, der Köhler 2009 und zu dessen ersten Amtszeit 2004 seine Stimme gegeben hatte. Wittke lobt Köhlers Amtsführung und seine „klaren Positionen“, etwa zur Finanzkrise. Der „Respekt vor dem Amte verbiete eine weitere Kommentierung. Köhlers Rücktritt könne aber dazu Anlass geben, über die Schärfe von Kritik und Kommentierungen nachzudenken. „Da passieren Dinge, die glaubt man kaum“, zeigte sich CDU-Parteichef Guido Tann völlig überrascht und bestürzt. Auch er hatte die Diskussion über Köhlers Äußerungen zu Militäreinsätzen nicht als Problem wahrgenommen. Nach Köhlers Rücktritt gibt es in der Union nun Zweifel, dass erneut die CDU den Bundespräsidenten stellen wird. Meckelburg: „Jetzt ist guter Rat teuer. Hoffentlich wird das keine parteipolitische Sache.“

Der SPD-Landtagsabgeordnete Markus Töns, der 2009 ebenfalls der Bundesversammlung angehörte, erklärte: „Nach einem Jahr aufzugeben, klingt nicht gut. Köhler habe zu oft versucht Politik zu machen. Seine jüngste Äußerung sein „nicht glücklich“ gewesen. Töns: „Ich habe aber keine Rücktrittsforderung gehört.“ Joachim Poß, der Berliner SDP-Bundestags-Fraktionsvize, der schon an vielen Bundespräsidentenwahlen, zurückreichend bis zu Weizsäcker teilnahm, spricht von einem „beispiellosen Vorgang“. Der Rücktritt sei nicht „ausreichend begründet“ und „erschreckend“. Köhler habe große Popularität genossen. Auch möglicher mangelnder Rückhalt bei Schwarz-Gelb rechtfertige seinen Schritt nicht, so der SPD-Bundestagsabgeordnete.