Transparent scheint das Kreuz zwischen Hauptaltar und Chorraum zu schweben. An einem Gelenk dreht es sich in Zeitlupe leicht um die eigene Achse – und wechselt die Farbe. Von schillernd Silber zu leicht Violett. Grün- und Orangetöne dominieren wenig später im Zusammenspiel aus Licht und farbigen Kirchenfenstern.
„Das Kreuz ist wie die Kirche. Es muss sich bewegen“, findet Ludger Hinse. Im weißer Latzhose mit rotem Halstuch steht er im Kirchenschiff von St. Augustinus. Ein kerniger Künstlertyp. „Opa und Vatter waren Bergleute“, er selbst hat in Recklinghausen sein Atelier auf einer ehemaligen Zeche.
Hinse kennt sein Revier. Und NRW. Mit „Das Kreuz mit dem Kreuz“ realisierte er von 2007 bis 2009 das größte Kreuzprojekt des Landes. 77 Ausstellungen in 21 Städten sahen rund 145 000 Menschen. Damals auch schon in Gelsenkirchen. Nun ist der - seit Mittwoch – 62-Jährige zurück in der Propsteikirche: Mit seinem Plexiglaskreuz, das über Spiegel im Inneren so sensibel auf das Licht der Umgebung reagiert. Mit drei neuen großformatigen Lichtgestalten und, in der Meditationskapelle, mit einer Fotodokumentation über den Weg der Kreuze.
Kein Wunder, das manche Pfarrer dieses Kreuz über ihren Köpfen irritiert hat. Zieht es doch die Blicke an, lenkt ab vom Menschen am Altar. Zuhören reicht. Das Gesagte sei ja entscheidend, nicht derjenige, der es ausspricht, findet Hinse und hat selbstverständlich kein Problem damit, dass das Kreuz im Fokus hängt. Sein Kreuz. „Licht kommt in die Welt“ lautet diesmal der Titel der Ausstellung.
„Vor drei Jahren habe ich gedacht, dass Arbeiten zum Thema Leid und Kreuze die größten Provokationen darstellen würden“, sagt Hinse. „Doch das stimmt nicht. Schönheit ist die viel größere Provokation.“ Und so provoziert er: mit seinem Lichtkreuz, das die Umgebung spiegelt. Licht, das „ist das Zeichen für Auferstehung, das österliche Zeichen. Für jeden bildenden Künstler ist Licht ein ewiges Thema. Für die Kirche soll es das auch sein“, findet der 62-Jährige und bezieht sich auf die Bibel: „Das ganze Johannesevangelium strotzt nur so vor Licht“. Doch in der kirchlichen Kunst und Auslegung dominiere seit dem 11. Jahrhundert das Leid. „Wir haben eine Überbetonung der Sünde“, findet Hinse und setzt dem seine Kunst entgegen.
Spirituelle Kulturtankstelle mit Frühschicht
Als Spirituelle Kulturtankstelle setzt die Propstei St. Augustinus im Kulturhauptstadtjahr besondere Akzente: Die Ausstellung wird am 22. Mai, 10.30 Uhr, eröffnet und läuft bis 31. Juli. Am 20. und 27. Juli geht es um 7.30 Uhr um das Raumerlebnis und das Licht des neuen Tages in der Kirche (mit anschließendem gemeinsamem Frühstück). Ebenso geplant: Ein Fotowettbewerb zum Thema Licht in der Welt. „Wir haben Jugendliche gebeten, die Aktion zu initiieren“, sagt Probst Paas. Die schönsten Fotos werden beim Augustinusfest (29. August) prämiert