Der Wind bauscht das Segel, wirft Wellen auf. Petrus, im roten Gewand, ist halb versunken in diesen Buntglas-Wogen. Ihm reckt sich eine rettende Hand entgegen. Jesus hilft seinem Jünger. Matthäus Kapitel 14, Vers 22 bis 33 beschreibt die Szene, die das mittlere Fenster über der Nordgalerie in der Evangelischen Kirche Rotthausen zeigt – und erzählt von Vertrauen, Wankelmut und göttlicher Hilfe. Jesus steht dem glaubensschwachen Petrus bei.
1950 wurde die Neugestaltung der sechs großen Seitenfenster in der Kirche begonnen. In der Werkstatt Donath in Buer wurde das Kunstwerk gefertigt und am 20. Mai 1951 in einem Gedenkgottesdienst den Toten von Dahlbusch gewidmet. Eine Tafel, mit den Jahrzehnten staubgrau geworden, erinnert an die Katastrophe und die Spende der Deutschen Kohlenbergbauleitung. 78 Tote forderte das Unglück ein Jahr zuvor, 52 Gemeindeglieder aus Rotthausen zählten zu den Opfern.
Künstlerisch eher konventionell ist der Entwurf von Professor Stephan, der vor 60 Jahren ausgeführt wurde. „Höher ist sicher der ideelle Wert“, findet Pfarrerin Sonja Timpe-Neuhaus, die Samstag bei der Gedenkfeier für das Grubenunglück 1950 predigen wird. Für sie passt das Bildnis im Fenster zur Seelenlage in Lebenskrisen. Es biete Trost und verbinde Hoffnung und Bitten, dass Menschen „auch in Todesgefahr nicht von Gott verlassen sind, sondern eine Hand haben, die sie hält.“
Zuspruch und Hilfe erlebte Rotthausen nach der Katastrophe vor 60 Jahren aus ganz Europa. Viertklässler schickten Schokolade für die Kinder der toten Kumpel. Cafékaisers kündigt am 22. Mai 1950 in einem Telegramm 100 Lebensmittelpakete an, aus der noch jungen DDR kommt das Angebot der „Steinkohlenvermarktung Zwickau“ für Erholungsurlaube in Bad Elster. Auch der Papst hat reagiert. Aus Rom kamen 15 000 Mark für die Hinterbliebenen. In einem Schreiben vom 17. Juni 1950 bedankt sich die Bergwerksleitung bei Pius XII für die Anteilnahme und Hilfe.
In der Bergbausammlung Rotthausen hat man die Dokumente zusammen getragen. An der Belforter Straße 20 werden sie in diesen Tagen zu einer kleinen Ausstellung vereint, die mit den Schachtzeichen am Dahlbuschpark eröffnet werden soll. Ganz in der Nähe, an der Schemannstraße und der Steeler Straße säumten vor 60 Jahren zigtausende den Trauerzug. Die Trauerfeier fand am 25. Mai auf Schacht 6 statt. Im Revier 7 auf der 11. Sohle, 913 Meter tief unter der Erde, kam es fünf Tage zuvor zu der verheerenden Explosion. Gegen 8.30 Uhr entzündeten sich wahrscheinlich schlagende Wetter an einem Glimmbrand in der südwestlichen Abteilung von Flöz Hugo. „Im Verlauf der nächsten Tage kam es zu weiteren Verpuffungen, die es nötig machten, den gesamten Bereich einzudämmen“, so Karlheinz Rabas von der Bergbausammlung. Das Revier wurde zugemauert und teils geflutet. Die Grubenwehr barg die Opfer. In einem Nachruf erinnerten Aufsichtsrat, Verwaltung und Betriebsrat der Bergwerksgesellschaft Dahlbusch an die „75 Arbeitskameraden“ Die lange Liste beginnt bei „Aschmutat, Erich, Hauer“ und endet bei „Zilt, Josef, Ged.-Schlepper“. Bundespräsdent Theodor Heuss hielt die Traueransprache. Doch das Leid war noch nicht beendet. In den nächsten Tagen starben noch drei weitere Kumpel an den Folgen des Unglücks.
Drei schwere Unglücke im 20. Jahrhundert
1848 wurde im Dorf Rotthausen nah der Kirche mit dem Abteufen des ersten Schachts begonnen. Nach Finanzproblemen der Betreibergesellschaft förderte der Schacht erst ab 1860. Bereits 1871 lag die jährliche Fördermenge bei 870 000 t. Dahlbusch war damit die leistungsstärkste Zeche im Revier. Ab 1900 wurde der Betrieb um eine Kokerei erweitert. 1899 wurde auf der Schachtanlage 3 / 4 Schacht 6 abgeteuft, 1916 folgte Schacht 8. In dieser Zeit wird auf Dahlbusch mit 1,2 Mio Jahrestonnen die Höchstleistung erreicht. Die letzte Schicht fuhr am 31. März 1966 auf Schacht 8 ein.
Auf der Zeche gab es im 20. Jahrhundert drei schwere Grubenunglücke: Am 23. August 1943 starben 38 Bergleute, am 20. Mai 1950 wurden 78 Schlepper und Hauer, Zimmerer und Grubenelektriker getötet. Unter den Opfern waren allein 23 Lehrlinge.
Im Mai 1953 wird das Denkmal für die getöteten Bergleute auf dem Friedhof Rotthausen eingeweiht, neben dem Gräberfeld für die Verunglückten.
Am 3. August 1955 kamen 42 Menschen um. Bei der Rettung wurde erstmals die Dahlbusch-Bombe zur Bergung von drei eingeschlossenen Kumpel eingesetzt.
Gedenkfeier als Auftakt der Schriftzeichen
Die Gedenkfeier für das Grubenunglück vor 1950 beginnt am 22. Mai um 11 Uhr am Gelände Dahlbusch, Schacht 8. Bergkapelle, Kranzträger, Knappenvereine, Fahnenträger und Geistliche werden zuvor vom Dahlbuschpark zum Denkmal (Zechenstraße) ziehen. Nach der Feierstunde wird die Ausstellung zum Kulturhauptstadt-Jahr im Zelt auf dem Gelände der Firma Complexx eröffnet, um 12 Uhr wird der erste Schachtzeichen-Ballon in Rotthausen aufsteigen. Zeitnah werden zwei weitere Ballone über den Dahlbusch-Schächten 1/7 und 3/4/6 rund 80 Meter hoch in den Himmel steigen und an die Bergbaugeschichte vor Ort erinnern.