Wechselhafte Zeiten. Die Kirche räumt das Feld und ist – zumindest baulich – auf dem Rückzug aus der Gemeinde. Das Sozialwerk St. Georg strebt hingegen hinein, mitten ins Leben. „Wir gehen dorthin, wo gewohnt wird. Wir lösen ein Stück weit die Komplexsituation an der Uechtingstraße auf“, sagt Werner Piekarek, der Geschäftsführer des Sozialwerks im Ruhrgebiet.

„St. Georg trifft St. Anna“, heißt es nun. Das Sozialwerk ist neuer Mieter der ehemaligen Schalker Gemeinde. Die symbolische Schlüsselübergabe stand Freitag an. In der Kirche an der Kapellenstraße, im ehemaligen Kindergarten und Gemeindehaus wird in diesem Jahr ein Begegnungszentrum für Menschen mit geistiger Behinderung entstehen: mit Kontaktcafé und „Wohnschule“, mit integrierter Tagesstätte, mit Arbeits- und Beschäftigungsmöglichkeiten, die Tagesstrukturen ermöglichen sollen, mit dem Familien unterstützenden Dienst und mit den Hilfen für Betreutes Wohnen. St. Georg unterstützt 70 geistig und körperlich Behinderte, die in ihren eigenen vier Wänden leben.

„Wir wollen ab August ein Bündel an ambulanten Dienstleistungen in St. Anna zusammenführen“, benennt Piekarek das große Ziel. 360 000 Euro investiert das Sozialwerk dafür in den Umbau. Im Kindergarten sind die Arbeiten bereits angelaufen. Die nötigen Veränderungen halten sich in Grenzen. Vornehmlich, witzelt jemand in der Runde, „müssen wir die Pinkelpötte und Waschbecken etwas höher setzen.“

Im Herbst soll es die Einweihungsfeier geben. In der Kirche. Das Gotteshaus, Baujahr 1970, wird nicht entweiht und kann von der Gemeinde weiterhin sporadisch genutzt werden. Zum Beispiel für Schulgottesdienste. Die Schule liegt gerade einen Steinwurf entfernt. Denkbar sind auch Veranstaltungen oder Ausstellungen im Backsteinbau. „Damit bleibt ein christlicher und sozialer Zweck erhalten“, freuen sich Pfarrer Hans-Thomas Patek und Wolfgang Beverungen vom Kirchenvorstand St. Joseph.

Beverungen hat seitens der Gemeinde maßgeblich die Verhandlungen geführt. Ein kirchennaher, „sozial tätiger Partner“ war dabei der Idealfall. Anderseits: Andere Interessenten für das Gesamtensemble hatte es auch nicht gegeben. Bei der Planung hat das Sozialwerk zudem Rücksicht auf die besonderen Begleitumstände genommen. Der Kindergarten von St. Anna wurde zwar bereits im letzten Sommer geschlossen – aber eben auch ein Jahr später als ursprünglich geplant. Piekarek: „Die Stadt konnte damals den Kindern keine alternativen Plätze anbieten. Darauf haben wir Rücksicht genommen.“ Die Warteschleife dauerte gut ein Jahr, „bis der Kindergarten-Neubau der Stadt“ vollendet war. „Wir wollten schließlich nicht, dass hier eine Unterversorgung entsteht in einem Stadtteil, in dem es ohnehin zu wenig Angebote für Kinder gibt“, so der Geschäftsführer.

An „dieser Stelle“, findet Piekarek, „sind wir Profiteure der Umstrukturierung des Bistums Essen.“ Und auch für die Kirche zahlt sich die neue Situation aus. Nicht nur, weil man dort hofft, dass künftig der zunehmende Vandalismus rund um die ungenutzten Gebäude nachlässt. Vor allem wohl, weil sich die finanzielle Situation entspannt. Das Sozialwerk hat zunächst einen Vertrag bis 2019 – mit Option auf Verlängerung“, wie Pfarrer Patek betont. Allein die Heizkosten für die Kirche beliefen sich früher auf 15 000 Euro pro Jahr. Sind künftig größere Investitionen ins Gebäude nötig, hat die Gemeinde einen starken Partner.