Gelsenkirchen.

„Kleine Schule, großer Zusammenhalt“ steht auf einem Bettlaken, das an einer Brüstung der Aula befestigt ist. Und noch größer ist am Mittwochabend im proppenvollen Saal des Schalker Gymnasiums das Unverständnis über die empfohlene Schließung der Traditionsschule.

Die Schulpflegschaft hat zu dieser Veranstaltung eingeladen. Und der parteiische Moderator Pfarrer Hans-Joachim Dohm – er hatte selbst Kinder am Schalker – macht den anwesenden Parteienvertretern gleich klar, worum es auch geht: „Ich erwarte heute ein klares Bekenntnis von Ihnen“, sagt Dohm in Richtung der Vertreter von SPD, CDU, Grüne, FDP und Linke. Damit können die Politiker (zurecht) nicht dienen, weil die innerparteilichen Diskussionen längst nicht abgeschlossen sind.

Viele Eindrücke werden sie jedoch in die politische Beratung mitnehmen. Eltern, Schüler, Lehrer und Ehemalige des Schalkers machen ihrem Herzen Luft. Im Kreuzfeuer der Kritik: Bildungsdezernent Manfred Beck.

„Sie haben dieses Gymnasium über Jahre kaputt geredet“, so ein zentraler Vorwurf. Auf konkrete Nachfrage muss Beck einräumen, bereits 2006 in einer Schulpflegschaftsversammlung an der Gesamtschule Berger Feld erklärt zu haben, dass eine Schließung eines südlichen Gymnasiums wohl unumgänglich sei und es voraussichtlich das Schalker oder Gauß treffen werde. Angesichts der „Stimmungsmache“ und dem „Streuen von Gerüchten“ seien die Anmeldezahlen sogar noch sehr gut, so der Tenor.

Dass eine Schließung alleine oder überwiegend von Zahlen abhängig gemacht werden soll, kann und will am Schalker niemand akzeptieren. Die Stärken und das MINT-Konzept rücken Lehrer, Schüler und Eltern in den Vordergrund. „Diese Schule hat ein Profil, das andere nicht haben“, so Dohm. Die Bedeutung der Schule als „Stütze“ für den Stadtteil und die Integrationsleistung wird in die Waagschale geworfen.

Gerne an der Schule

Zu Wort meldet sich auch der frühere Schulleiter Prasuhn mit einem Plädoyer für die Schule und gegen die Zahlenkolonnen im Gutachten zum Schulentwicklungsplan. Und immer wieder bekennen Schüler und Lehrer: „Ich bin gerne an dieser Schule.“

Ratlosigkeit wird ebenfalls Ausdruck verliehen. Zum Beispiel durch eine Mutter, die eine Tochter in der siebten Klasse des Gymnasiums hat. „Am Montag habe ich meine jüngere Tochter am Schalker angemeldet, am Freitag heißt es dann: Die Schule schließt. Meine Tochter ist kreuzunglücklich. Wie soll ich ihr das erklären?“, fragt sie. Unbeantwortet bleibt auch diese Frage einer Lehrerin: „Warum kann man eine Schule, die so verankert ist, nicht stützen?“

Gegen 21.20 Uhr endet in der Schulaula eine hochemotionale Veranstaltung. Das Transparent hat sich inzwischen teilweise von der Brüstung gelöst und hängt traurig in den Saal hinein. Doch der Zusammenhalt an der „kleinen Schule“ in Schalke, der ist in den vergangenen 140 Minuten noch größer geworden.

„Ich frage Sie: wieso?“

Wegen der drohenden Schließung des Schalker Gymnasiums haben sich die befreundeten Schülerinnen und Schüler Selin und Selin (beide 5b), Melike und Yudum (6a) und Nico (7b) zusammengesetzt, ihre Gedanken zu Papier gebracht und sie bei der Veranstaltung in der Aula vorgetragen. Auszüge: „Sie wollen unsere Schule schließen. Sie haben auch das Recht dazu. Aber ich frage Sie: wieso, wieso das Schalker Gymnasium? ... Ich glaube, Sie wollen diese Schule nur schließen, weil es von Jahr zu Jahr immer weniger Anmeldungen gibt. Aber dafür haben wir hier bessere Lehrer, lernen wunderbar und haben viel Spaß .... . Von Jahr zu Jahr entwickeln wir uns in dieser Schule weiter und wir lernen mit Freude, weil wir diese Schule lieben. ... Wenn ich das Recht hätte, Schulen zu schließen ... und die Kinder sich für ihre Schule einsetzen, würde ich in der Nacht Schuldgefühle haben und davon träumen.“

Eine Ohrfeige von der Bezirksregierung

Rückenwind fürs Schalker Gymnasium: Klaus Dingemann von der Schulaufsicht der Bezirksregierung hat öffentlich Kritik am Schulentwicklungsplan-Verfahren in Gelsenkirchen geübt. Vorbehalte hat er dagegen, dass der Gutachter bereits öffentlich die Schließung des Schalker Gymnasiums empfohlen hat.

„Die Arbeit dieser Schule rechtfertigt nicht eine Auflösung“, sagte der für die Gelsenkirchener Gymnasien zuständige Dingemann am Mittwochabend auf der Veranstaltung des Schalker Gymnasiums. Es tue sich sehr viel in dieser Einrichtung.

Er fände es grundsätzlich „nicht so glücklich“, dass in dem Gutachten bereits ein zu schließendes Gymnasium genannt worden sei. Dieser Ansicht schloss sich u.a. Barbara Filthaus (SPD) an.

Außerdem sei der Untersuchungsgegenstand „etwas eng“ gesehen worden: „Auch pädagogische Gründe müssten hier eine Rolle spielen“, so Dingemann. Und: Es sollte als Entscheidungsgrundlage auch eine Diskussion unter den vier südlichen Gymnasien geben.

Dass die Stadt wegen der demographischen Entwicklung ein Gymnasium schließen wolle, sei legitim. Dem Land sei an einem sparsamem Wirtschaften gelegen, so Dingemann. Ein solcher Schließungs-Beschluss bedürfe am Ende der Genehmigung der Bezirksregierung.

Im Gespräch mit der WAZ bestätigte Regierungspräsident Paziorek, was auch die Stadt eingeräumt hatte: „In seiner jetzigen Form wäre die Umsetzung des Gutachtens zum Schulentwicklungsplan mit dem geltenden Schulrecht nicht vereinbar und nicht genehmigungsfähig.“

Das gilt auch fürs Schalker. Wie berichtet, sieht die Empfehlung des Gutachters vor, das Gymnasium auslaufen zu lassen und mit der Hauptschule Emmastraße zur Modellschule zu fusionieren oder alternativ in eine Gesamtschule umzuwandeln.

Im nächsten Schritt wird die Stadt für den Bildungsausschuss am 9. April eine Bewertung der Gutachter-Empfehlungen vornehmen. Anschließend sollen Schulen Stellung nehmen. Der Schulentwicklungsplan für die Sekundarstufen I und II soll im Oktober vom Rat verabschiedet werden.