Gelsenkirchen. .

Meterhoch waren die Räume zugemüllt, Ungeziefer hatte sich breit gemacht und die Räumung stand an: „Keiner sollte merken wie ich gelebt habe “, sagt der Angeklagte vor Gericht. Deshalb habe er seine Wohnung in Brand gesetzt. Das Urteil: Drei Jahre und drei Monate Gefängnisstrafe.

Mit den katastophalen hygienischen Bedingungen begründet der 39-jährige Angeklagte, weshalb er in einer Art Kurzschlussreaktion seine Dachgeschosswohnung an der Metterkampstraße in Scholven im Sommer 2009 mit Benzin übergoss und anzündete. Dabei wurde er selbst schwer verletzt, lag zwei Wochen im künstlichen Koma.

Jetzt muss er wegen schwerer Brandstiftung für drei Jahre drei Monate ins Gefängnis, so urteilte gestern das Gericht. Weitere Bewohner wurden zum Glück nicht verletzt. Aber es entstand ein Sachschaden von rund 100 000 Euro.

Er will reden über das was geschah, er quält sich, bekommt aber kein Wort heraus. Richter Bernd Koß hilft, spricht erst einmal über die Vergangenheit, ermöglicht so einen Einstieg.

Jahrelang sammelte der Angeklagte Hausmüll an

Seit Jahren schon sammelte der 39-Jährige Hausmüll an, dazu bevorzugt Frauenkleider, die er irgendwo aufklaubte, und kleinere Elektrogeräte vom Sperrmüll. Immer mehr stapelte sich in seiner Wohnung. Der Gelsenkirchener legte sich schmale Gänge an, um überhaupt noch durchzukommen. Besuch ließ er nicht mehr herein.„Scham und Ekel und Panik“, sagt er, wurden immer stärker. Er wird arbeitslos, kann die Miete nicht zahlen, öffnet keine Post mehr.

Der Vermieter erlässt ihm die Schulden, fordert aber, dass er die Wohnung räumt und auszieht. Einen Müllcontainer bestellen oder einen Räumdienst, so wie es der Richter vorschlägt, sind keine Möglichkeiten für den ­Angeklagten. Er geht stattdessen in den Keller holt einen Kanister mit fünf Liter Benzin: Seine Wohnung geht in Flammen auf, durch die Verpuffung zerbersten die Fensterscheiben. Das Haus ist nicht mehr bewohnbar.

Keine Anzeichen für eine verminderte Schuldfähigkeit

Psychiater Dr. Kutscher sieht keinen Anlass für verminderte Schuldfähigkeit. Weder Drogenprobleme, die der Angeklagten vorbringt, noch sein Sammel-Fetischismus haben Krankheitswert, sagt der Sachverständige. Staatsanwältin Elke Hinterberg spricht vom „sehr plan­vollen Handeln“ und ­beantragt dreieinhalb Jahre Haft.

Er war aber in einer Belas­tungssituation erkennt die Essener Kammer strafmildernd an und ist sicher, „ das alles berührt ihn sehr.“ Das Gericht hebt den Haftbefehl auf. Der 39-Jährige darf bis zum Strafan­tritt bei seiner Familie leben. „Da ist er gut aufgehoben“, sind die Richter überzeugt.