Gelsenkirchen.

Winter pur von Ückendorf bis Buer. Da haben es Narren schwer, heißblütig zu feiern und das Kultur-Motto der Session mit Leben zu füllen. Stoffarme Kostüme verbieten sich Rosenmontag quasi zwangsläufig. Und so sind viele Vermummte zu sehen. Dazu dick gepolsterte Häftlinge, Bienen und Teufel, jede Menge Cowboys und Mönche, einige Bart Simpsons, entzückende Engelchen und ganz viele, die höchstens ein wenig Konfetti im Haar zur Skijacke tragen.

Vereint tanzen sie den „Schnee, Schneee-, Schneeeewalzer“ an der Cranger Straße, wärmen sich mit Glühwein zum Bierchen, erhitzen sich beim verschärftem Kamelle-Klauben und Stadion-erprobten Schlachtrufen. „Oh, wie ist das schön“ tönt es an der Aral-Tankstelle, dem Jugendtreff zum Zug. Dazu passt, das viele auf Fanausstattung setzen: Schalke-Schal, alternativ ein Trikot und dazu alles, was die Kehle ölt. Glasverbot hätte sich hier bezahlt gemacht. So freuen sich die Pfandsammler.

Die Vorhut bilden Brezel-Wagen. Die Versorgung längs der jecken Piste ist gut. Alle paar Meter ein Würstchen- oder Bierstand, hie und da ein Mobil-Klo. Paul und André haben ihr Grillzelt aufgebaut. Würstchen und Koteletts brutzeln auf dem Rost. Das wärmt - aber nicht die Füße. „Wir sind seit 9 Uhr hier, das langt.“ Weniger als sonst los sei diesmal, findet André. Frost kühlt das Geschäft merklich ab.

Um 14.30 Uhr ist der Zug gestartet. Von der Sparkasse aus sieht man eine halbe Stunde später gerade mal ein paar Blinklichter in der Ferne. Die Zeit vertreibt sich eine muntere Marinetruppe mit der richtigen Einstimmung. Sechs Mann hoch sind die Energiebündel der KG Narrenzunft unterwegs mit Bollerwagen und Bierkästen. Die Herren sind gestählt durch Auftritte bei diversen Damensitzungen. „Wir sind die Showtanzgruppe“, lacht einer. Und schon ziehen die Blauen Jungs weiter.

Der mittlerweile 40. Rosenmontagszug rollt endlich ein. Was heißt: rollt. Es geht im Stop-and-go-Verkehr voran im karnevalistischen Drei-Kampf aus Helau, Schunkeln und Wurfgut abschmeißen. Da fliegen Bonbons, Bärchen, Bälle und (arg befremdlich) belegte Brötchen tief, da werden Schalke-Poster und Popcorntüten in die Menge geschossen. Und die Piccolo-Kanone feuert Konfettiregen hinterher. 58 Programmpunkte hat der Zug auf seiner 2,5 km langen Fahrt zu bieten: Zwischen Lok und Disco-Wagen der Alten Hütte fährt die Zoom-Erlebniswelt des KC Astoria, hebt der Reiterverein Gelsenkirchen musikalisch mit dem „Hu-, Hu-, Hubschrauber“ ab und sind die Prinzenpaare auf ihren rollenden Funkenburgen unterwegs. Ein AUF-Trüppchen gibt polit-populistisch die Haifischjäger. Potenzielle Beute folgt zwei Wagen später: Die Eishockey-Sharks geben sich die Ehre.

Dabeisein ist für Silke Glüsing mit Laura und Marco, Nico und Lenny geradezu Pflicht. Die gemischte Schalke-Tiergruppe steht an der Ecke Friedensstraße. „Unser Stammplatz“, sagt die Mutter. „Wir wohnen ganz in der Nähe.“ Die Kinder haben die Tüten voll Wurfgut. Nachbarin Nicole Lindner hat sich zur Feier des Tages erstmals verkleidet. Als flauschiger rosa Esel. Hauptsache warm.