Gelsenkirchen. .
Ein Familiendrama ohne Sinn, fast aus dem Nichts heraus. Ein psychisch kranker 23-Jähriger aus der City soll im Wahn auf seinen angehenden Schwager eingestochen haben.
Angeblich, um seine Schwester wieder glücklich zu machen, sagt Staatsanwältin Elke Hinterberg vor dem Essener Schwurgericht.
Oft hat Jens H. die Augen geschlossen, gähnt er demonstrativ. „Die Medikamente machen mich so müde“, klagt er und bittet Richter Simon Assenmacher, die Medizin absetzen zu dürfen. Denn sie wird ihm auf Beschluss des Gerichtes zwangsweise verabreicht.
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2006 war der in Kolumbien aufgewachsene Sohn eines Deutschen nach Gelsenkirchen gekommen. Sein Wunsch, an der Folkwanghochschule Musik zu studieren, scheiterte. Er schlug sich durch, zog sich immer mehr in seine Wohnung in der Josefstraße zurück. Sein einziger Kontakt in Gelsenkirchen war eine deutlich ältere Halbschwester.
Besuch aus Kolumbien
Ende 2009 beschloss seine ebenfalls in Kolumbien aufgewachsene Schwester, mit ihrem Verlobten nach Deutschland umzuziehen. Sie meldete sich telefonisch bei ihrem Bruder. „Er war glücklich darüber, freute sich“, erinnert die 27-Jährige sich vor Gericht. Die Staatsanwaltschaft glaubt, dass er schon da den Tod des Verlobten beschlossen habe. Innere Stimmen hätten ihm das befohlen. „Ich hatte den Eindruck, dass er nicht gut zu ihr war“, sagt er. Oder: „Meine Schwester war unzufrieden mit dem Leben. Das habe ich gemerkt.“
Als die beiden am 10. Februar in Gelsenkirchen ankommen, öffnet er ihnen nicht die Tür. Erst einen Tag später treffen sie ihn an. Er selbst und seine Wohnung sind in einem verwahrlosten Zustand. Der Besuch aus Kolumbien packt beherzt an, kauft Putzmittel, räumt auf. „Komisch“, sagt der Beschuldigte, „die kommen zu Besuch und putzen“. Auf Nachfrage des Richters bestätigt er dessen Einschätzung: „Ich putze nicht.“
Danach sitzen sie zusammen. Völlig unvermittelt sticht der 23-Jährige auf den 32 Jahre alten Verlobten der Schwester ein. Die 27-Jährige wirft sich dazwischen und bringt den Verletzten aus der Wohnung. „Entschuldigung, Entschuldigung“, ruft der 23-Jährige ihnen nach. Lebensgefährliche Verletzungen hat sein Opfer erlitten, wird aber im Krankenhaus gerettet.
Die Kommunikation mit dem Beschuldigten ist nicht immer leicht. Mal wünscht er einen Kaffee, mal reagiert er hellwach auf bestimmte Prozesssituationen. Wie er sich seine Zukunft vorstelle, fragt Richter Assenmacher ihn. Die Antwort ist knapp: „Beschissen!“