Gelsenkirchen.
Es fing alles harmlos an: Die Familie und Urlaubsreisen hat Klaus Rechnitz in seiner Freizeit mit großer Leidenschaft fotografiert und gefilmt – so wie Hunderttausende andere Hobbyknipser es auch tun.
Doch als Rentner hat der 64-Jährige noch einmal einen großen Schritt nach vorne gemacht: Er ist sozusagen das Auge des Tossehofs geworden.
Auf unzähligen Fotos und Filmen hat der ehemalige Opelaner bisher den Stadtumbau in der Hüller Siedlung dokumentiert: Den Abriss der GGW-Häuser an der Kopernikusstraße hielt er ebenso fest wie die Eröffnung des Carekauf-Markts oder das Schul-Projekt des mexikanischen Künstlers Cienfuegos. Anzuschauen im Internet oder im Quartiersladen (siehe Kasten).
Über einen Aushang von Quartiersmanagerin Beate Rafalski ist Rechnitz 2008 zu diesem Job gekommen, der ihm außer Anerkennung und die Erstattung seiner Kosten nichts einbringt. „Es macht großen Spaß“, sagt er. Doch Hauptantrieb sei der Wunsch, dass der Stadtumbau im Tossehof dokumentiert wird und für die Nachwelt erhalten bleibt – „damit man sich das in vielen Jahren anschauen und sagen kann: Boah, guck mal da!“
1981 ist Klaus Rechnitz mit Frau, Sohn und Tochter von einem Altbau in der Bulmker Hertastraße in eine Neubauwohnung an der Kopernikus-straße gezogen. „Wir hatten Probleme mit der Hauswirtin“, sagt er. Der Tossehof sei ihnen schon von Spaziergängen bestens bekannt gewesen. Die Vorteile: „Es gab keinen Durchgangsverkehr. Die Kinder konnten in ihrer Schule bleiben. Und die Wohnung war unschlagbar günstig.“
Ende der 80er sei die Siedlung durch einen Wechsel der Bewohnerstruktur „gekippt“. Und eigentlich wollten Klaus Rechnitz und seine Familie dem Tossehof schon den Rücken kehren - wenn, ja wenn seine Tante nicht 1998 gestorben wäre. „Wir mussten ihre Wohnung in Ückendorf ausräumen.“ Das sei so abschreckend gewesen, dass sie einfach keine Lust mehr auf noch einen Tapetenwechsel gehabt hätten. Inzwischen ist die Mietwohnung sogar in ihr Eigentum übergangen.
Aufgewachsen ist Klaus Rechnitz in Ückendorf, an der Ottilienaustraße. „Mein Vater war Hauer auf Zeche Holland“, erzählt er. Er wollte ebenfalls Bergmann werden, doch sein Vater verhinderte dies. Also machte er eine Ausbildung als Feinmechaniker in der Strickerei Kannengießer an der Dickampstraße. Nach der Lehre heuerte er bei Opel in Bochum an: „Ich hatte großes Glück und kam nicht ans Fließband, sondern in die Produktionsvorbereitungskarosserie.“
Vor sechs Jahren ging Rechnitz in den Vorruhestand, doch Opelaner ist er irgendwie immer noch. „Da, ein Opel-Signum, eins meiner letzten Modelle“, sagt er mitten im Gespräch und deutet auf ein vorbeifahrendes Auto. Mindestens ebenso aufmerksam nimmt er die Veränderungen im Tossehof wahr: „Es ist toll, was hier entstanden ist.“