Gelsenkirchen.

Er fand in den USA neue Freunde, erhielt tiefe Einblicke in ein anderes Bildungssystem und entdeckte seine Leidenschaft für eine exotische Sportart.

Und auch die wöchentliche Teilnahme an Marathon-Gottesdiensten der Mormonen können am Urteil des 17-Jährigen nicht ändern: „Ich habe diesen Schritt nicht bereut“, sagt Julian Stoesser.

„Dieser Schritt“, das war ein einjähriger Aufenthalt in der US-Kleinstadt Smithfield im Mormonen-Staat Utah. Als „Patenkind“ des CDU-Bundestagsabgeordneten Wolfgang Meckelburg und als Stipendiat des Parlamentarischen Patenschaftsprogramms sammelte der Schüler des Ricarda-Huch-Gymnasiums viele neue Erfahrungen.

„Das Leben dort ist völlig anders“, sagt der Ückendorfer. Mormonen wie sein (alleinstehender) Gastvater lebten nach strengen Regeln. „Sie rauchen nicht und trinken keinen Alkohol.“ Und treffen sich jeden Sonntag zu dreistündigen Gottesdiensten. An denen habe er freiwillig teilgenommen, um mehr über Land und Leute zu lernen. „Das war ganz entspannt“, sagt er.

Und als „ganz entspannt“ empfand er auch das Verhältnis zu seinem erfahrenen Gastgeber, der bereits zum 20. Mal einen Austauschschüler aufgenommen hatte. „Wenn ich Schule hatte, musste ich um 22 Uhr zu Hause sein, sonst um Mitternacht“, berichtet Julian.

In der Highschool fasste er schnell Fuß - auch wenn einige Unterrichtsangebote wie Anatomie Neuland für ihn waren. Und die Sportart „Lacrosse“ war ihm ebenfalls zunächst fremd, was sich aber schnell änderte: Zeitweise täglich trainierte Julian die mit einem Netzschläger ausgeübte Ballsportart, um in Wettkämpfen des Schulteams seinen Mann zu stehen - mit Erfolg. „Ich will mich jetzt erst einmal umsehen, wo ich Lacrosse in Deutschland spielen kann“, sagt er. Definitiv „ausüben“ kann er nach seiner Rückkehr eine andere Betätigung: das Autofahren. Für nur 250 Dollar machte Julian in Utah seinen Führerschein.

Blut geleckt hat auch sein jüngerer Brüder: Nicht zuletzt durch Julians Begeisterung konnte dieser sich ebenfalls für einen Auslandsaufenthalt erwärmen. Im September geht’s in Richtung Kanada. Und auch die (noch) jüngeren Schwester hegt bereits ähnliche Pläne.

Das allerletzte Kapitel

Die finale Bundestagssitzung, das Räumen des Berliner Büros, Abschied von der Fraktion – letzte Male hat es für den langjährigen CDU-Bundestagsabgeordneten Wolfgang Meckelburg nach seiner Abwahl im September 2009 oft gegeben. Mit der Rückkehr von Julian ist nun auch das allerletzte Kapitel abgeschlossen.

Ein positives Kapitel: „Ich habe das immer gerne gemacht“, sagt der Christdemokrat. 15 junge Menschen hat der „Pate“ seit 1991 in die USA geschickt. Aus bis zu vier Vorschlägen suchte er jeweils einen Stipendiaten aus. Nach welchen Kriterien? „Selbstbewusst sollte er oder sie vor allem sein.“ Damit er habe sicher sein können, dass er/sie das Jahr auch übersteht. Das habe mit einer Ausnahme („da benahm sich einer daneben“) auch funktioniert. Ein Kriterium habe keine Rolle gespielt: das Parteibuch. „Ich habe auch mal ein Juso-Vorstandsmitglied ausgewählt“, sagt Wolfgang Meckelburg (60).