Gelsenkirchen.

Wie man aus der Not eine Tugend machen kann, wenn König Fußball regiert, bewies das Barockensemble Caterva Musica: Kurzerhand stellten die Musiker zum Achtelfinale Deutschland:England ihr Programm in Schloß Horst um.

Das Ensemble bot das wahrscheinlich erste Public Viewing in einem Renaissance-Schloss, eingerahmt von Barockmusik.

Schön kühl und schattig ist es im Kaminzimmer, wo Leinwand und Beamer aufgestellt sind. Die Musiker gesellen sich in zivil zu den Besuchern, lediglich Moderator Joachim Gresch trägt das Kostüm des „Critischen Musicus“. Dass ein Musikexperte des Barock auch ein Fußballspiel kommentieren kann und bei jedem deutschen Treffer die schwarz-rot-goldene Flagge schwenkt, macht den Charme des Nachmittags aus. In der Halbzeitpause wechseln alle in die Glashalle, hören das erste Stück des Programms. Dann geht es zurück vor die Leinwand, um den Sieg der deutschen Elf zu genießen.

Nach dem Abpfiff dann die Fortsetzung des Konzerts: Ein ganz anderer Wettbewerb steht nun im Mittelpunkt, die Wahl zum Leipziger Thomaskantor im Jahre 1723. Nach dem Tod von Johann Kuhnau war der renommierte Posten verwaist. Ein namhafter Musiker sollte als Nachfolger her, doch alle Favoriten (Telemann, Fasch, Graupner) lehnten ab. Als ein gewisser Jo-hann Sebastian Bach die Stelle erhielt, kommentierte das ein Amtmann mit den Worten: „Da man nun die Besten nicht bekommen könne, müsse man Mittlere nehmen…“

Das Konzert, das Werke von allen vier Kandidaten aufbietet, macht jedoch im Vergleich deutlich: Was damals nur zweite Wahl war, hat nicht ohne Grund die Jahrhunderte besser überdauert. Bachs Musik ist wesentlich spannender, in der Melodiebehandlung raffinierter, harmonisch kühner als die höfisch gezierten, braven Kompositionen seiner Kollegen.

So ganz lässt der Fußball das Ensemble aber nicht los: Nicht nur, dass Autokorsos einen ständigen Soundtrack zum musikalischen Vortrag liefern; beim Trauermarsch in Christoph Graupners B-Dur-Concerto wird symbolisch der Union Jack beerdigt.