Gelsenkirchen. „Mehrsprachigkeit ist eine echte Ressource für diese Stadt“, meint Dagmar Eckart, Leiterin der RAA (Regionale Arbeitsstelle zur Förderung von Kindern und Jugendlichen aus Zuwandererfamilien) Gelsenkirchen.
Umso größer ist bei ihr und ihren Kollegen die Freude über rund 60 Schülerinnen und Schüler, die in diesem Jahr in Gelsenkirchen das Abitur geschafft haben – mit Hilfe des Förderunterricht-Programms, das die RAA seit 2005 anbietet.
25 Gelsenkirchener Schulen beteiligen sich an dem Projekt, 75 Förderlehrer (Lehramtsstudierende, die auf diese Art Praxiserfahrung sammeln) versorgen rund 650 Schüler bei einem Gesamtangebot von etwa 900 Förderplätzen in den drei Hauptfächern Deutsch, Mathe und Englisch. Die Klassen 5 bis 8 werden derzeit noch zentral im Gebäude der Gertrud-Bäumer-Realschule unterrichtet, die Fördermaßnahmen für die Schüler der Klassen 9 bis 13 finden in den jeweiligen Schulen statt. „Fast alle Gelsenkirchener Schulen mit einer Sekundarstufe II sind mit im Boot“, freut sich Projektkoordinator Wolfgang Paulssen.
Die Stiftung Mercator finanzierte das Projekt bisher zu großen Teilen. Im nächsten Schuljahr läuft diese Förderung aus – aber die Maßnahme wird weitergeführt: „Trotz angespannter Haushaltslage wird die Stadt diese Lücke schließen, denn eine gute Ausbildung ist die beste Arbeitslosenversicherung überhaupt“, verspricht Oberbürgermeister Frank Baranowski.
Mit einer Abschlussfeier im Wissenschaftspark würdigte die RAA nun „ihre“ Abiturienten. „Der Förderunterricht ist ein Baustein zu mehr Bildungsgerechtigkeit“, betont Dagmar Eckart. „Für 13 Jahre Mühe“ erhielten die frischgebackenen Ex-Schüler Gutscheine für philharmonische Konzerte im Musiktheater – „als kleine Entspannung nach all dem Lernen.“
Das Lernen in einer großen Gruppe ist schwieriger“, meint Fatima Bazairi. Die 20-Jährige erhielt am Eduard-Spranger-Berufskolleg Förderunterricht in Mathe und BWL. „Die Förderlehrer nehmen sich die Zeit, mit jedem Einzelnen in der kleinen Gruppe Dinge zu erarbeiten, die man nicht verstanden hat.“ Und: „Der Förderunterricht wurde von Studenten geleitet, die den gleichen Weg hinter sich haben wie wir. Das schafft eine andere Atmosphäre.“ Wie es nach dem Abi weitergeht, weiß Fatima Bazairi genau: „Ich möchte in Bochum Management of Economics studieren.“
Zwei Jahre lang belegte Rezan Akkus an der GS Ückendorf einen Förderkurs in Deutsch: „Dieses Projekt hat mir wirklich geholfen“, erzählt die 21-Jährige. „Ich hätte nie gedacht, dass ich mündlich eine Zwei in Deutsch schaffen würde. Auch das entsprechende Selbstbewusstsein hat mir gefehlt.“ Das Besondere am Förderunterricht: „Wir sind ganz intensiv gemeinsam mit der Förderlehrerin die Hausaufgaben durchgegangen und konnten offene Fragen klären.“ Mit dem Abi in der Tasche strebt Rezan Akkus nun ein Studium der Sozialarbeit in Bochum an.
Der 21-jährige Oguz Kir machte sein Abitur am Weiterbildungskolleg Emscher-Lippe und erhielt dort ein halbes Jahr lang Förderunterricht im Fach Englisch. „Das hat uns allen viel gebracht, die meisten konnten ihre Noten deutlich verbessern.“ Ganz besonders hebt Oguz das besondere Verhältnis zu den Förderlehrern (im Gegensatz zum „normalen“ Schulalltag) hervor: „Das war ein sehr freundschaftliches Verhältnis, die Lehrer waren quasi einer von uns.“ Nun steht erstmal der Zivildienst an – „für danach habe ich noch keine konkreten Pläne.“
Hale Buyantemur besuchte ebenfalls das Weiterbildungskolleg Emscher-Lippe. Dort besuchte sie Förderkurse in Mathe und Englisch. Auch sie sieht die kleinen Gruppen als Vorteil: „In großen Klassen müssen Lehrer eben einfach den Stoff durchziehen.“
Das konkrete Ergebnis des Förderunterrichts: „Eine Note besser!“ Und ansteckend war das Erlebnis wohl auch, denn Hale Buyantemur tendiert zu einer Berufswahl im pädagogischen Bereich: „Vor dem Studium möchte ich allerdings noch ein paar Praktika in verschiedenen Bereichen machen.“