Gelsenkirchen.

„Der Rat der Gemeinde ist für alle Angelegenheiten der Gemeindeverwaltung zuständig“, heißt es in § 41 der Gemeindeordnung NRW. Das klingt gut, ist aber ergänzungsbedürftig.

In der jüngsten Sitzung des Gelsenkirchener Rates hätte der § 41 erweitert werden müssen durch: „Der Rat der Gemeinde ist auch dafür zuständig, die Geduld seiner Mitglieder zu strapazieren, indem ihnen ohne aktuellen Anlass Sachverhalte mitgeteilt werden, die ihnen längst bekannt sind.“ In diesem konkreten Fall: die ideologischen Ausrichtungen von Pro NRW (rechts) und AUF/MLPD (links). Zunächst trat Polizeipräsident Rüdiger von Schoenfeldt ans Rednerpult und beeindruckte mit einer eigenwilligen Reaktion auf die im Mai vom Hauptausschuss an ihn ausgesprochene Bitte, zusätzliche Informationen und Erkenntnisse über diese Gruppierungen im Rahmen seines jährlichen Berichts über die Ordnungspartnerschaft zu präsentieren. Von Schoenfeldt hätte es sich leicht machen und dieses Ansinnen aus - wie heißt es so unschön? - ermittlungstaktischen Gründen ablehnen können. Hat er aber nicht. Stattdessen las er ungerührt ganze Seiten aus dem aktuellen und streng öffentlichen NRW-Verfassungsschutzbericht vor. Anschließend legte SPD-Fraktions-Chef Klaus Haertel noch eine Schüppe drauf, indem er in Vertretung für den erkrankten SPD-Geschäftsführer Günter Pruin 28 Minuten lang (handgestoppt von Irene Mihalic, Grüne) ganz viel Richtiges über Pro NRW und AUF/MLPD zum Besten gab, eine zentrale Frage aber unbeantwortet ließ: Wo war der aktuelle Anlass für diese Rede? Und: Welches Ziel verfolgte die SPD mit dem Aufbereiten bekannter Zusammenhänge?

Es war dann an Gabriele Hollmann-Bielefeld (CDU), den Rat aus seiner Lethargie zu befreien und kräftig aufzumischen - wenn auch unfreiwillig. Und zwar mit einem, ähem, unglücklich formulierten Beitrag über Drogensüchtige, die sich auf Garagenhöfen „rumdrücken“ und ihre Notdurft verrichteten: „Wenn da einer mit heruntergelassener Hose sitzt - da kommt aber Freude auf!“, sagte die Christdemokratin ohne einen Hauch von Ironie und konnte gar nicht nachvollziehen, warum der Rat inklusive der CDU-Mitglieder in Gelächter ausbrach. Ernst wurde es dann wieder, als Hollmann-Bielefeld auch noch von „Scheißhaufen“ sprach und sich deshalb vom OB in staatstragendem Ton sagen lassen musste, dass dieser Begriff „nicht parlamentarisch“ sei. Um derart anrüchige Vergehen künftig zu verhindern, sollte man Klarheit schaffen und § 41 der Gemeindeordnung mit dem Zusatz „§ 41 aa“ versehen: „Der Begriff Scheißhaufen ist nicht parlamentarisch.“

In der Bleckkirche wollte der Linke-Kreisvorstand am kommenden Mittwoch eine Mitgliederversammlung durchführen. Das ist erstaunlich. Zum einen deutet dies nämlich darauf hin, dass die Linke in Gelsenkirchen nicht wie seit Monaten vermutet nur noch als Ratsfraktion, sondern nach wie vor auch als „richtige“ Partei existiert. Noch mehr aufhorchen lässt die Wahl des Veranstaltungsortes - war es doch einst Bleckkirche-Pfarrer Schöps, der gegen Linke-MdB Sevim Dagdelen wegen deren umstrttener Israelkritik im Bundestag ein (symbolisches) Hausverbot für sein Gotteshaus ausgesprochen hatte. Die Wahl des Versammlungsortes habe nichts mit diesem Eklat zu tun, so war von Menschen zu hören, die Menschen kennen, die wiederum mit Menschen gesprochen haben, die vorgeben, Mitglieder des Linke-Vorstandes zu kennen. Sondern: Die Linke wolle sich durch wechselnde Tagungsorte öffnen. Auf der Linke-Homepage ist nun jedoch der Hinweis zu lesen, dass die Versammlung am 23. Juni ausfällt. Eine Begründung wird nicht geliefert. Denkbar ist, dass die Linke im Vorfeld verpennt hatte, dass an diesem Tag Deutschland gegen Ghana spielt. Nicht ausgeschlossen ist aber auch, dass es in Gelsenkirchen zurzeit tatsächlich nur noch eine Ratsfraktion und keinen Kreisvorstand der Linkspartei gibt.