Wer schön sein will, muss leiden! Wer erinnert sich nicht an diese Binsenweisheit, die schon unsere Großeltern bei allen passenden und unpassenden Gelegenheiten so gerne bemühten?

Wer schön sein will, muss leiden! Wer erinnert sich nicht an diese Binsenweisheit, die schon unsere Großeltern bei allen passenden und unpassenden Gelegenheiten so gerne bemühten? Nie war die Floskel nämlich so wertvoll wie heute, wenn auch bisweilen in leicht abgewandelter Form. „Viele von denen, die zu uns kommen, haben seelisch bereits länger, teilweise über Jahre, gelitten”, sagt Petr Bolatzky. Er ist Chef der Fachklinik Bolatzky in der Innenstadt. „Aber ich bin kein Schönheitschirurg.” Darauf legt der 48-Jährige gesteigerten Wert. „Was wir machen, ist ästhetische Chirurgie, und zwar immer nach einer gründlichen medizinischen Indikation.”

Hört sich seriös an, ist es auch. Ganz im Gegensatz zu parallel zum Schönheitsboom immer wieder aufkommenden Schreckensmeldungen über verpfuschte Operationen an Gesichtern, Brüsten und Bäuchen. Über genau solche Geschichten regt sich auch Bolatzky auf, weil sie das Image seines Berufsstandes schädigen. Da die so genannte Schönheitschirurgie im deutschen Ärzterecht nicht definiert ist, könne quasi jeder zugelassene Arzt ästhetische Operationen vornehmen, auch ohne eine spezielle Ausbildung. „Solche Operationen sind kein Pille-Palle”, ereifert sich Bolatzky, der Facharzt für Chirurgie, „da sind einige Pappnasen ohne fundierte Ausbildung unterwegs.”

Bolatzky, der während seiner Facharzt-Ausbildung in Dinslaken und später auch in Prag früh ans Operieren und chirurgische Eingriffe kam („eine Schule fürs Leben”) kann es sich freilich leisten, Missstände in diesem immer noch mit Vorurteilen behafteten Genre anzuprangern. Sein eigener guter Ruf eilt ihm schließlich längst voraus.

Wen wundert's da, dass seine kleine Klinik in der Ahstraße zu 100 Prozent ausgelastet ist? Das staatlich konzessionierte „Mini-Krankenhaus” für stationäre kosmetisch-plastische Operationen, in dem die Patienten rund um die Uhr betreut werden, besteht aus den Abteilungen kosmetisch-plastische Chirurgie, Anästhesie und Lasertherapie, hat 15 Angestellte und vier Betten. Und in der bunten Medienwelt, vor allem im TV, hat es Bolatzky längst zu einer kleinen Berühmtheit gebracht. Immer wieder geben sich Fernsehteams die Klinke in die Hand, wollen ein Statement zu aktuellen Themen rund um die ästhetische Chirurgie von dem gebürtigen Tschechen.

„Es war ein Glücksfall, dass wir unsere Klinik vor zehn Jahren ausgerechnet in Gelsenkirchen eröffnet haben”, sagt er heute, „wir hatten damals keine Konkurrenz in der näheren Umgebung und haben trotzdem vom ersten Tag an immer hart gearbeitet. ” Sie waren hier damals eine Art Exoten, die Männer und Frauen um Petr Bolatzky. Unter anderem deswegen seien vielleicht auch TV-Sender auf ihn aufmerksam geworden, mutmaßt der Klinikchef. „Ästhetische Chirurgen vermutet man ja eher in Düsseldorf. Und tatsächlich gibt es heute auf der Kö fast mehr Schönheitschirurgen als Schuhgeschäfte.”

Promis, Partys, Puderdös-chen - in der Landeshauptstadt vielleicht, in Gelsenkirchen geht das ja gar nicht. Bolatzkys Klientel ist so bodenständig wie er selbst. Und in der Regel mindestens 30 Jahre alt, eher um einiges älter und kommt nicht nur aus der näheren Umgebung, sondern aus dem gesamten Bundesgebiet. Knapp 90 Prozent der „Kundschaft” sind Frauen, „davon sind es 80 Prozent Mütter”, listet Bolatzkys Assistent Said Beldjoudi auf.

Gerade nach Schwangerschaften begännen für viele Frauen die Probleme. „Manche kommen mit viel Leidensdruck. Aber den möglichen OPs gehen erst einmal ausführliche Beratungsgespräche voraus”, erläutert Bolatzky, „es hilft nur schonungsloses Aufklären. Nicht selten rate ich auch ab. Eine hübsche 20-Jährige beispielsweise, die einfach nur eine größere Körbchengröße haben will, operiere ich nicht.”

Nichtsdestotrotz gilt Bolatzky als Spezialist in Sachen Brustkorrekturen. Bauchdeckenstraffungen, Nasenkorrekturen, Fettabsaugungen und viele andere Behandlungen gehören ebenfalls zum Repertoire. Nahezu alle Operationen führt Bolatzky selbst durch, zur Seite steht ihm neben den Assistenten auch fast immer ein Anästhesist.

Sein Arbeitstag, logisch, ist kaum unter 12, 13 Stunden zu bewältigen. „Als wir 1999 anfingen, haben wir mit sieben bis zehn Patienten im Monat kalkuliert”, blickt der umtriebige Arzt, der vor ein paar Jahren mit Frau und Sohn nach Buer gezogen ist, zurück. „Heute haben wir 70 bis 80 Patienten im Monat. Wir müssen irgendwann expandieren, weil wir die doppelte Bettenanzahl brauchen.” Und die Krise? „Welche Krise? Die Nachfrage nach unserer Arbeit ist konjunkturunabhängig. Wir haben absolut keine Einbrüche.” Der Glückliche.

Gutes Aussehen scheint den Deutschen offensichtlich wichtiger denn je zu sein. Alles andere hieße: Leiden. . .