Gelsenkirchen. .

Der Duft von heißen Bratkartoffeln weht dem Besucher bereits entgegen, als er den lichtdurchfluteten Flur der Demenz-Wohngemeinschaften am Stegemannsweg im Schaffrath der Ambulante Pflegedienste Gelsenkirchen (APD) betritt.

Es ist Mittag und in den drei WGs wird natürlich selbst gekocht. Dazwischen tappst ein quirliger Dreikäsehoch herum, der gerade seine Oma besucht. Es ist wie zu Hause. Besuch kommt, wann er will, wann er kann. „Manchmal auch morgens nach der Schicht mit frischen Brötchen, dann wird mit dem Mieter hier zusammen gefrühstückt.“

Und genau das sei auch das Konzept der beiden APD-Häuser, erläutert Geschäftsführer Claudius Hasenau weiter. Selbstbestimmte Lebensweise, das ist die Zauberformel. Wie zu Hause, das bedeutet auch, dass die Angehörigen durchaus mit gefordert werden. Sie bestimmen mit, was wie geregelt werden soll. Sie bestimmten beispielsweise auch mit, wie der Essbereich der jeweiligen WG auszuschauen hat.

Niemand sieht mehr auf den ersten Blick, dass hier die ehemalige Schaffrather evangelische Kirche war. Drei Kirchturmglocken am Eingang sind jedoch eine Erinnerung daran. Und ein großer Raum im Haus, in dem regelmäßige Gottesdienste stattfinden, an denen auch Schaffrather Bürger teilnehmen. Es herrscht ein sehr nettes Miteinander mit der Kirchengemeinde und den Bürgern.

Bei Bedarf Betreuung und Versorgung rund um die Uhr

Seit einem Jahr leben hier drei Wohngruppen mit jeweils acht Personen, jede Gruppe wird von fünf „Concierges“, Gesellschafterinnen, betreut, an die Hand genommen. Langzeitarbeitslose Frauen hat der Ambulante Pflegedienst seinerzeit für diese Aufgabe der Alltagsbegleiter angestellt. Sie wurden speziell für diese Betreuung Demenzkranker ausgebildet. Der Pflegedienst selbst übernimmt seine speziellen Aufgaben. Hier entstand ein neues Zuhause, wenn die Grenzen daheim erreicht waren und eine stationäre Versorgung weder gewünscht noch erforderlich ist.

Rund um die Uhr erfolgt hier bei Bedarf eine Betreuung und Versorgung. Sogar eine ambulante Palliativversorgung wird angeboten. Ein Buch der Erinnerung gedenkt liebevoll verstorbener Mitbewohner, denn „hier wird auch gestorben.“

Die Seniorinnen und Senioren zwischen 55 und 93 Jahren werden darin bestärkt, so viel wie möglich noch selbstständig zu machen. Mit Hilfe der Concierge wird beispielsweise die Wäsche gewaschen oder gekocht und gebacken. Da gibt es auch einen ganz kleinen Gemüsegarten, Kräuterhochbeete oder Blumenbeete, ein Gärtner, Angehöriger eines WG-Bewohners, geht dabei zur Hand. Das künstliche Licht in den WG-Fluren wirft keine Schatten, Schatten sind für Demenzkranke beängstigend. Auch daran wurde gedacht.

Jeder Mieter hat eine eigene Klingel

APD-Geschäftsführer Claudius Hasenau
APD-Geschäftsführer Claudius Hasenau © WAZ FotoPool

Schon am Eingang zeigt sich, dass hier eine ganz andere Art des Zuhauses gestaltet wurde: Jeder Mieter hat nämlich eine eigene Klingel. Und es gibt sogar im ehemaligen Jugendraum der Kirchengemeinde eine mobile Tischtennisplatte, die gerne genutzt wird und von Angehörigen der Bewohner gekauft wurde. Die Wände zieren Hunderte von Fotos, von den vielen gemeinsamen Unternehmungen: Da wurde geschwommen, gefeiert, getanzt, gelacht. Eine ganze Reihe Bilder zeigen die täglichen Spaziergänge: Mit Vierbeinern!

Das animiere zur Bewegung, erklärt Hasenau. Angehörige oder Beschäftigte bringen die Vierbeiner mit, aber auch Mieter selbst können ihre Tiere behalten. Eine schmerzliche Trennung ist hier nicht nötig.

Wie im Schaffrath gibt es noch ein WG-Haus der APD am Rheinelbepark. Im Aufbau befindet sich ein weiteres Haus in Sutum - auch eine ehemalige Kirche. Die APD-Häuser wurden beim „Leuchtturmprojekt Demenz“ des Bundesgesundheitsministeriums mit unter die Lupe genommen und als „Gelsenkirchener Modell“ zukunftsweisend eingestuft.