Gelsenkirchen. .
Immer öfter werden Polizeibeamte angepöbelt, angegriffen oder verletzt. Die WAZ sprach mit drei Polizisten über Gewalt im Berufsalltag und wie sie damit umgehen.
„Ich dachte vorher, die Leute hören auf die Polizei. Mein Bild hat sich gewandelt. Viele Menschen sind polizeifeindlich. Die sehen nur die Uniform, nicht den Menschen.“ Daniel Gostomski (27), Polizeikommissar
Daniel Gostomski ist seit 2007 Streifenpolizist. Ein junger, sympathischer Mann. Der mit Idealen zur Polizei kam. „Der Idealismus ist nicht weg. Aber ich bin Realist geworden“, sagt der 27-Jährige. Die Realität bezifferte jüngst sein oberster Dienstherr, NRW-Innenminister Wolf: Die Gewalt gegenüber Polizisten nimmt immer mehr zu. Die WAZ sprach mit drei Beamten über ihre Erfahrungen, wenn sie „Bullensau“ gerufen werden, wenn sie angegriffen, verletzt werden. Alltag ist das.
Daniel Gostomski erlebte Gewalt am eigenen Leib: Gerade im Dienst rettete ihn nur ein Hechtsprung, als ihn ein Autofahrer nach einer Verkehrskontrolle gezielt über den Haufen fahren wollte. „Da ist man fertig“, sagt er. Und sofort steigt das „Adrenalin bis unter die Schädeldecke“, wenn bei den nächsten Kontrollen die Fahrer nicht sofort anhielten. Geschlagen, getreten, gewürgt wurde der Jung-Polizist gleich in den ersten Dienstmonaten. Seiner Freundin erzählt er nicht alles. Den Kollegen schon: „Der Rückhalt ist wichtig.“ Was den 27-Jährigen nachdenklich macht: Es sind nicht nur Betrunkene, die gewalttätig werden. „Das sind oft Jugendliche, die sagen Dinge, die ich mich nie getraut hätte. Was macht der dann bloß in fünf Jahren?“
„Es kränkt. Da wird beschmutzt, was für mich hoch und heilig ist. Und ich denke: Ich halte doch für euch den Kopf hin. Aber keiner bleibt im Streifenwagen sitzen, wenn es brenzlig wird.“ Karl-Heinz Jerzynka (46) Polizeihauptkommissar
Man wird vorsichtiger mit den Jahren, sagt der erfahrene Dienstgruppenleiter der Wache im Stadtsüden. Nach verlorenem Zahn, Krankenhaustagen, auch kein Wunder. „Man spürt, wenn was im Busch ist. Jeder Kollege hier hat mindestens einmal im Jahr gewalttätige Konfrontationen“, berichtet er und fügt hinzu: „Sehen Sie, doch was an den Schulen los ist, was Lehrer erleben. Das ist bei uns nur am massivsten“.
Ihn erschreckt, wie schnell Banales in Provokation, Aggression und Gewalt umschlägt. Und das immer öfter. „Respektlosigkeit“ nennt er das auch. Wenn es schon bei einer Ausweiskontrolle eskaliert, sich sofort ein Pulk von zehn Leuten bildet, wenn bei einem Verwarngeld Sprüche kommen wie „is für eure Weihnachtsfeier, was“ oder „willste wohl ‘nen Stern mehr“. Überhaupt: das Duzen. Nur aus der „Nummer“ kommt Karl-Heinz Jerzynka nicht raus, wenn er aktiv wird, einschreiten muss: „Ich kann nicht auf der Hacke kehrt machen. Ich muss die Sache immer lösen Auch mit flauem Gefühl.“ Und da mag helfen, wenn - immer öfter - Verstärkung anrückt.
Und dennoch: Der 46-Jährige macht seine Arbeit mit Leidenschaft („Ich würde mich wieder bewerben“) und warnt davor, als Polizist eine Mauer aufzubauen: „Wir wären schlecht beraten, wenn wir unsensibel werden.“
„Es besteht die Gefahr, dass sich das eigene Gesellschaftsbild verzerrt, wenn man nur das Negative erlebt, sich fragt, ist die Welt wirklich so schlecht?“ Tobias Szech (34) Oberkommissar
Dem Gruppenführer in der Einsatzhundertschaft sind erst kürzlich nach einem Bundesligaspiel Kloschüsseln und Eisenstangen um die Ohren geflogen. Der wöchentliche Wahnsinn im Stadion, wenn der Mob tobt. Bei solch Einsätzen ist man auf Krawall und Gewalt vorbereitet, zumal sich Fans oft gegen die Polizei als Feind solidarisieren, wenn einzelne Täter herausgefischt werden sollen. So macht man dies mitunter gezielt später.
„Doch Gewalt kann einen überall treffen“, betont Szech. Wenn etwa bei einem Einsatz wegen häuslicher Gewalt hinter der Tür ein Mann mit Messer steht. „Wenn einer bei einer Verkehrskontrolle nett und freundlich ist und uns siezt, freut man sich schon“, so Szech und berichtet aber auch, dass sein Trupp erst vergangenen Samstag beim Klitschko-Kampf völlig unvermittelt als „schwule“ Säue angegangen wurde. Und da wunderte sich der Pöbeler noch, als er eine Anzeige bekam. Szech hätte es auch sein lassen können, nicht reagieren. Aber irgendwann ist Schluss. Sein Vergleich zeigt, was ihn und seine Kollegen bewegt: „Wer einen Schiedsrichter im Fußball anfasst, bekommt die rote Karte. So ein Tabu sollte es auch für uns geben.“