Gelsenkirchen. Hans Bisplinghof hält gelbe Anakondas. Seine beiden Drei-Meter-Damen Anna und Emma haben ihm jetzt wieder Nachwuchs und Arbeit beschert. Essen müssen die Tiere nur einmal im Monat, trinken dafür täglich.

Das Filmplakat an der Terrarien-Tür verheißt Grauen. Ein kräftiger Schlangenkörper umschlingt einen Menschen. Eine Hand streckt sich aus dem Gewimmel. Die Szene signalisiert: Hier kommt jede Rettung zu spät. „Anacondas – Die Jagd nach der Blutorchidee” ist ein Schocker, der ein wenig über Hans Bisplinghofs (59) Humor verrät. Und viel über sein Hobby. Der Bülser Lehrer („ich unterrichte nicht etwa Bio, sondern Kunst”) hält Riesenschlangen: gelbe Anakondas.

Bücher, Bilder, eine üppige Krokodilsammlung, einige präparierte Tierschädel: das etwas andere Arbeitszimmer des Lehrers ist auch Schlangen-Heim. Ein Drittel des Raums ist abgeteilt für zwei besondere Damen: Anna, 20 Jahre alt, rund drei Meter lang, und Emma, 12, etwas kleiner, eher grün und damit eine seltenere Spielart der Schlangengattung, die in Südamerikanischen Regenwäldern ihre Heimat hat. Den Dschungel haben Anna und Emma allerdings nie gesehen. Sie sind Nachzuchten. Seite an Seite liegen die Tiere reglos im Rindenmulch hinter Glas. Kletterast, Wasserbecken und Wandplateu bieten naheliegende Ausflugs-Optionen. Eine Fußbodenheizung sorgt für Wohlfühlatmosphäre. Obwohl Anakondas es nicht unbedingt muckelig brauchen. Wasser ist ihnen wichtiger. „Anakondas können lange tauchen und perfekt schwimmen, vor allem müssen sie aber jeden Tag trinken”, sagt Bisplinghof. Beim Fressen begnügen sich seine Schlangen dagegen mit einer längeren Taktzahl. Einmal im Monat füttert sie der 59-Jährige.

"Sie ist etwas mäkelig und mag keine Kaninchen"

Mal gibt es – gewürgt und geschlungen – Meerschweinchen, es darf aber auch gerne eine Packung Hühnerschenkel aus dem Supermarkt sein. Die Geschmäcker sind verschieden. „Emma ist etwas mäkelig. Die mag zum Beispiel keine Kaninchen.”

Überhaupt ist Anna pflegeleichter. Emma entwindet sich lieber menschlichem Kontakt, beißt auch eher mal zu – zwei Gründe, warum Anakondas auch bei Schlangenhaltern zu den Exoten zählen. Eine schmucke Bildergalerie gerahmter Autogrammkarten mit knapp bekleideten Frauen scheint eine andere Sprache zu sprechen. Vereint mit Schlangen winden sich die Schönheiten. „Das sind Boas”, sagt der Experte. Die scheinen solche Spielchen eher mitzumachen.

Das Schlangen-Duo hatte bis vor einiger Zeit noch einen Partner: Benny, Anakonda-Mann und vielfacher Vater. Das gut zwei Meter lange Männchen hat Bisplinghof vor einiger Zeit an einen anderen Schlangenhalter in Buer abgegeben. Die Familienplanung des Züchters (für die Schlangen, wohlgemerkt) ist eigentlich abgeschlossen. Doch Benny hatte die Weibchen noch einmal beglückt. Und so schlängelt sich sein Nachwuchs nun mit glänzender Haut unter Kunstlicht durch zwei Terrarien im Keller des kleinen Einfamilienhauses. 25 Schlangenbabys gilt es zu versorgen.

Der erste Blick ins Terrarium lässt das Gewimmel kaum erahnen. Die Schlangen haben sich verkrochen. Unter Kunstgrün und Borke, vor allem aber unter der WAZ. Bisplinghof nutzt die Zeitung als Bodendecker. Denn 25 kleine Schlangen haben durchaus ordentlich Verdauung, auch wenn ihr Speiseplan nicht gerade üppige Kost vorsieht. 60, 70 cm lang sind die Babys. Alle paar Wochen gibt es ein kleines Mäuschen. Der Lehrer hat sie eingefroren auf Vorrat.

Der Nachwuchs hält sich mit der WAZ bedeckt

Anna hat in fünf Anläufen bislang 83 Nachkommen geboren. 18 Schlangen auf einen Schlag, zwischen 40 und 120 Gramm schwer, gab's zuletzt am 1. August. Emmas Nachwuchs ist etwas älter. Acht kleine Schlangen hatte sie im Bauch. Und 19 Wachseier. „Die sind unbefruchtet”, sagt Bisplinghof, der die Geburt schon im Bild festgehalten hat – auch für seine Ratgeber. Buch Nummer zwei erscheint demnächst.

Die Jungtiere reifen sieben Monate im Ei im Muttertier und kommen voll entwickelt zur Welt. Eigentlich würden sie sich dann auch direkt davonmachen ins Unterholz. Brutpflege? Kinderstube? Keine Spur. Jagen und gejagt werden gilt in der Natur von Geburt an. Die Chancen, eine stolze Anakonda zu werden, sind in Freiheit bescheiden. Zunächst haben die Jäger vor allem eins: Fressfeinde.

Die Zukunft in Bülse ist dagegen tröstlich sicher. Die Probleme sind eher auf Bisplinghofs Seite. Anakondas haben unter Tierfreunden derzeit nicht gerade Hochkonjunktur. Zu DM-Zeiten bekam der Züchter 250 Mark für ein Tier, heute rechnet er mit rund 50 Euro. „Ein bis zwei Jahre Jahre wird es wohl dauern, bis alle verkauft sind.”