Der frühere SPD-Chef und Landtagsabgeordnete Hans Frey hat seine Memoiren geschrieben - und die haben es stellenweise in sich. Im jetzt veröffentlichten Band 1 des auf zwei Bände ausgelegten Werkes beleuchtet er aus eigener Erfahrung den Kampf der Jusos gegen die verkrusteten Strukturen.
„Machen Memoiren überhaupt Sinn?” fragt sich der Sozialdemokrat Hans Frey (59) im Vorwort seines Buches „Ja, das alles und mehr!” Der einstige Landtagsabgeordnete und SPD-Chef in Gelsenkirchen hat diese Frage trotz einiger Vorbehalte letztlich mit einem klaren „Ja” beantwortet.
„Geschichte und Geschichten aus 35 Jahren Politik. Band 1: Wilder Honig” heißt der Untertitel des knapp 200-seitigen Werks. Von diesen 35 Jahren zwischen 1970 und 2005 beleuchtet der bisher mit Science-Fiction-Romanen literarisch in Erscheinung getretene Sozialdemokrat im ersten Band „nur” die Jahre bis 1975. Aber diese Jahre dürften die bewegtesten in der Nachkriegsgeschichte des SPD-Unterbezirks gewesen sein - fand doch parteiintern eine kleine Revolution statt, die von der Juso-Spitze um Frey und Poß ausgerufen wurde und deren Strukturreformen in der SPD bis heute nachwirken.
Bis in den Politik-Teil des „Spiegel” („Hatz auf Jusos”) brachte es der SPD-Nachwuchs mit dem Kampf gegen die verkrusteten Strukturen und die Platzhirsche in der Partei wie u.a. Hans Gertzen und Josef Löbbert. Frey schildert diesen steinigen und auch von Parteiordnungsverfahren und Polizeieinsätzen gesäumten Weg auf unterhaltsame Weise. Ergänzt werden die Erinnerungen durch Presseberichte sowie erklärende Einschübe z.B. über den Aufbau der SPD und die Juso-Historie.
Als „lesenswert” und „ein Stück Zeitgeschichte” lobte Joachim Poß das Frey-Buch jüngst bei der Buchvorstellung auf Consol. Der SPD-Bundestagsabgeordnete fand aber auch kritische Worte: „Wir waren nicht nur idealistisch, sondern auch engstirnig und dogmatisch bis zur Ignoranz.” Und: Interne Rivalitäten und der persönliche Ehrgeiz beim Kampf um Mehrheiten kämen ihm im Buch zu kurz: „Auch das spielte eine große Rolle.”
Eine Vorlage für die Hauptkritik an diesem Buch liefert der Autor allerdings selbst. Als Fazit seiner Reflexionen über das Wesen von Memoiren zieht er im Vorwort das positive Fazit, dass aus seinem Band „keine Hymnen des Eigenlobs, keine Klatschgeschichten und kein böses Nachkarten” geworden sei. In der Tat finden sich auch Anflüge von Selbstkritik (Frey und die Jusos waren u.a. gegen das MiR und den Parkstadion-Bau). Aber nicht immer kann er der Versuchung widerstehen, sein Handeln ins rechte bzw. linke Licht zu rücken. Und vor allem: Trotz des guten Vorsatzes liest sich dieses Buch an nicht wenigen Stellen auch wie eine Abrechnung mit früheren Kontrahenten. Das kann man als schlechten Stil bezeichnen, authentisch ist es aber allemal. Denn: Hans Frey galt im Umgang mit politischen Gegnern innerhalb und außerhalb der Partei stets als unerbittlich.
Im zweiten Band wird er sich zwangsläufig mit seiner eigenen Rolle als Machtpolitiker und die seiner Partei als alleinregierende Kraft auseinandersetzen müssen. Dass hier Gefahren lauern, zeigt ein Exkurs in Band 1, in der sich der Autor an einer Einordnung des „pauschalen Filzvorwurfes” versucht, die in Teilen eher zu einer Verharmlosung gerät: Die Seilschaften des Bürgertums („stopfen sich nach wie vor die gebratenen Fasane in den Mund”) seien viel schlimmer, so Frey, weil es dabei um „richtige” Privilegien und nicht um „eine zugige Wohnungen und einen Hausmeisterposten” gehe. Und: Aus der Geschichte der SPD habe sich als „historische Überlebensnotwendigkeit ein besonderes Zusammengehörigkeitsgefühl entwickelt”, das sich in gegenseitiger Unterstützung geäußert habe. Diese „begrenzten Möglichkeiten” bewegten sich inzwischen aber gegen Null. Auf Band 2 darf man sehr gespannt sein.
„Ja, das alles und mehr!” von Hans Frey (Band 1; Seworama Productions) ist für 12,80 Euro bei Junius, Sparkassenstraße 4, und im August-Bebel-Haus der SPD an der Gabelsbergerstraße 15 erhältlich.
Im O-Ton über Münte, Matzkowski, Menzel
Hans Frey über SPD-Chef Franz Müntefering: „Einen herzlichen Kontakt zu ihm hatte ich allerdings schon damals nicht gehabt, was vielleicht auch daran lag, dass ich nicht sonderlich viel von ihm hielt. ... Irgendwie hatte er für mich schon immer etwas von dem aufregenden Charme eines Sachbearbeiters einer Ortskrankenkasse an sich gehabt, ohne damit Sachbearbeitern bei Ortskrankenkassen zu nahe treten zu wollen.”
Hans Frey über den Grünen-Stadtverordneten Bernd Matzkowski: „Nachgetragen sei, dass Bernd Matzkowski nach seinem Intermezzo bei der SPD lange Jahre in einem heruntergekommenen Zechenhaus dem KPD/ML-Proletkult (ML = Marxisten-Leninisten; die Redaktion) frönte, bis ihn dann seine real bürgerliche Existenz doch einholte und er sich standesgemäß bei den Grünen verortete. ... Was Bernd Matzkowksi und andere damals an dem ML-Misthaufen so faszinierend fanden, ist mir heute noch ein Rätsel.”
Hans Frey über den früheren SPD-Bundestagsabgeordneten Heinz Menzel: „Doch ein Handicap (seine Fistelstimme) wie auch menschliche Defizite (sein sprichwörtlicher Geiz stieß selbst seine Kumpel ab) verhinderte, dass er zu dem allseits geschätzten Arbeiterführer wurde, für den er sich selbst immer gehalten hat.”
Zur Person
– 1968 trat Hans Frey in die SPD ein; 1970 wurde er Mitglied im Juso-Vorstand. Von 1973-75 war er Juso-Chef.
– 1975 bis 1980 war Hans Frey Ratsmitglied. 1980 zog er in den Landtag ein, dem er bis 2005 angehörte. Von 1985 bis 1995 war er dort Vorsitzender des Schulausschusses.
– 1992 wurde er Vorsitzender der Gelsenkirchener SPD. Nach dem Kommunalwahldesaster kandidierte er 2000 nicht mehr für den Vorsitz.
– Frey ist Lehrer und unterrichtete von 1977 bis '80 am Grillo-Gymnasium.