Das Stadtumbau-Projekt im Tossehof kommt aus Sicht der Verantwortlichen und auch der Bewohner gut voran. Bereits im Mai sollen die ersten neuen Mieter in die sanierten GGW-Wohnungen an der Kopernikusstraße einziehen. Aber nicht nur an dieser Stelle tut sich etwas. Eine Zwischenbilanz.

Es sind manchmal die kleinen Dinge, die mehr aussagen als lange Zahlenkolonnen und umfassende Bilanzen. „Ich traue mich wieder, abends im Dunkeln durch den Tossehof zu gehen”, sagt Anwohnerin Christa Gesing-Unger (62). Das sei vor zwei Jahren noch ganz anders gewesen.

Das ist nicht das einzige Lob, das von Bewohnern der noch vor wenigen Jahren als Brennpunkt stigmatisierten Hüller Siedlung zu hören ist. Vor allem zwei Einrichtungen werden als unverzichtbar für das ehrgeizige Stadtumbauprojekt im Tossehof angesehen: der Carekauf-Supermarkt der Caritas als Nahversorger sowie der Quartiersladen als Anlaufpunkt.

Ende 2007 hat Beate Rafalski ihre Arbeit als so genannte Quartiersmanagerin im Ladenlokal am Ravenbusch aufgenommen. „Ich bin so etwas wie die freundliche Außenstelle der Stadtverwaltung”, sagt die Diplom-Sozialarbeiterin, die zuvor im Allgemeinen Sozialen Dienst des Jugendreferats tätig war. Und diese Außenstelle stößt im Tossehof offenbar auf Akzeptanz: Gleich fünfmal wird das 45-minütige Gespräch mit der WAZ von Menschen aus der Siedlung unterbrochen, die sich mit den unterschiedlichsten Anliegen an Rafalski wenden - von der Spaziergangs-Patenschaft über Wohnungsvermittlungen bis hin zu Beschwerden über Lärm durch Bauarbeiten.

Und doch ist die städtische Mitarbeiterin nach zwei Jahren im Tossehof nicht rundum zufrieden: „Viele Bewohner sind noch nicht so bereit, sich hier einzubringen, kommen nicht aus sich heraus.” Die Aktivierung der Nachbarschaft bleibe deshalb eines ihrer Hauptziele für die nächsten Jahre. Ganz wichtig sei dabei die Netzwerkarbeit, sprich: die Kooperation mit anderen Gruppen und Institutionen wie zum Beispiel Hüllen aktiv oder Bulmker Forum, so Rafalski.

Ein Umdenken wünscht sie sich bei den Menschen der Siedlung auch hinsichtlich des Einkaufsverhaltens. Denn: Die Umsätze im vor sechs Monaten eröffneten integrativen Supermarkt der Caritas stimmen bisher nicht. Nach oben zeigt der Daumen dagegen zurzeit bei der GGW für das Leuchtturmprojekt an der Kopernikusstraße, wo die städtische Wohnungsbaugesellschaft ihren Bestand von 170 auf 103 Wohnungen zurückbaut und modernisiert. Bereits im Mai sollen die ersten Wohnungen bezogen werden.

Und auch alle anderen baulichen Maßnahmen zur Umfeldverbesserung der im Jahre 1975 errichteten Siedlung können sich buchstäblich sehen lassen - wie zum Beispiel die von Jugendlichen „Gummiplatz” genannte Spielfläche neben der Kita Plutostraße. In der kommenden Woche steht bereits das nächste Großprojekt an: die Umgestaltung der Kindertagesstätte am Dörmannsweg. Die Mädchen und Jungen der Einrichtung werden für die Dauer der Arbeiten über Monate in anderen Einrichtungen unterkommen.

Zurück zum Quartiersladen und zu Beate Rafalski. So viel steht fest: Mindestens bis Ende 2011 wird sie im Tossehof als Quartiersmanagerin präsent sein. „Wir haben bereits Anträge auf eine Verlängerung gestellt”, sagt Stadtplaner Stefan Rommelfanger.

Das Stadtumbauprojekt Tossehof ist seit Freitag auch online: Das Internet-Angebot www.tossehof.de informiert über Aktivitäten und Einrichtungen in der Siedlung und soll vor allem ein Service für die Bewohner sein.

Stadt, Caritas und GGW ziehen Bilanz

Und was sagen die drei wichtigsten Akteure des Umbauprojekts? Die WAZ fragte bei der Stadt, der GGW und dem Carekauf-Träger Caritas nach.

Stefan Rommelfanger, stellvertretender Leiter der Stadtplanung: „Wir sind bei der Revitalisierung des Stadtteils auf einem sehr guten Weg. Es gibt deutliche Verbesserungen, vor allem im Stadtteilzentrum. Die Nahversorgung ist sichergestellt. Aber auch im Umfeld gibt es sichtbare Erfolge. Verbessern müssen wir noch die Vernetzung der sozialen Einrichtungen, zum Beispiel durch eine Stadtteilkonferenz der sozialen Träger. Beim Thema ,Image' müssen wir ebenfalls nachlegen. Auch im nördlichen Bereich der Siedlung gibt es noch einiges zu tun. Hier kommen wir nicht an alle Bewohner ran.”

Christian Stockmann (Caritas), Projektentwickler des Supermarkts Carekauf: „Wir bekommen von unseren Kunden bei Carekauf sehr positive Rückmeldungen. Vor allem die älteren Bewohner freuen sich sehr, dass sie für ihren Einkauf einfach nur um die Ecke gehen müssen. Unser Laden wird von vielen mobilitätseingeschränkten Menschen genutzt. Leider ist der Umsatz noch nicht so, wie es in einem Gutachten für Carekauf prognostiziert worden ist. Nach zehn Jahren Leerstand an diesem Standort ist es aber auch nicht leicht. Viele Leute haben sich anders orientiert. Dazu kommen die üblichen Umsatzrückgänge im Sommer und die Wirtschaftskrise. Der Umsatz muss besser werden. Was mir wichtig ist: Wir haben großen Spaß mit unserer Arbeit in der Siedlung. Es ist schön, mit den Menschen ins Gespräch zu kommen.”

Harald Förster, Geschäftsführer der GGW: „Wir liegen mit dem Bauprojekt Kopernikusstraße gut im Zeitplan. Sofern der Winter mitspielt, können im Mai die ersten Wohnungen bezogen werden. Die Nachfrage ist sehr gut. Die Liste der Interessenten ist größer als die Zahl der Wohnungen. Wir können einen guten Mix aus kleineren Wohnungen vor allem für ältere Menschen und größeren Wohnungen für Familien mit Kindern bieten. Einige der früheren Mieter haben ein Rückkehrrecht. Es werden aber nicht mehr als zehn Mieter in die Siedlung zurückziehen. Gut im Plan liegen wir auch bei den Kosten. Zwischenzeitlich drohte eine Erhöhung der Investitionen auf 15,4 Mio Euro, aber jetzt liegen wir wieder bei 14,5 Mio Euro. Ein Drittel stammt aus Fördermitteln, ein Drittel aus Krediten und ein Drittel finanzieren wir selbst.”