Gelsenkirchen. Wer denkt sich bloß solche Welten aus, solche Erlebniswelten, die Alaska an die Emscher holen, Afrika nach Bismarck und jetzt auch noch Asien an die Münsterstraße? Giggi Heuß. Sie ist die "Zoom-Architektin" und will Geschichten erzählen.

Wer inszeniert einen Zoo, der so gar nicht an Zoo erinnern will, sondern kontinentale Sprünge an einem „Urlaubstag” erlaubt, Geschichten erzählen will und zugleich Tiere ohne Gitter und Käfige geradezu beiläufig präsentiert?

Giggi Heuß heißt sie. 55 Jahre ist die „Zoom-Architektin”, die es vorzieht, lieber in der zweiten Reihe zu stehen, eher ungern Interviews gibt und Kameras am liebsten aus dem Weg geht. Doch wenn sie einmal beginnt zu erzählen, zu erklären, zu beschreiben, gibt es fast kein Halten mehr – die ganze Zoom-Idee in einem Menschen.

Gerade mal 1,3 Kilometer lang ist die Wegstrecke durch die Erlebniswelt Asien, die Pfade durch Alaska und Afrika sind länger, die Zoo-Kontinente größer. 1,3 km, das wäre eigentliche eine Sache von vielleicht einer Viertelstunde. Giggi Heuß macht es zu einem langen Marsch durch Asien, vorbei an Pagoden, Tempeln, Bambushainen und Reisfeldern. Ständig verschwenken die Wege, ändern sich Blickwinkel, wird der Besucher unmerklich gelenkt und im Ungewissen gehalten. „Das soll keine Rennbahn sein. Wir wollen überraschen. Man soll an jeder Ecke Neues entdecken, und wenn es das Gleiche aus einer anderen Perspektive ist”, erklärt die Architektin.

Seit zehn Jahren zeichnet die Architektin Giggi Heuß (55) für den Umbau des ehemaligen Ruhrzoos zur Zoom Erlebniswelt in Gelsenkirchen verantwortlich. Foto: Martin Möller
Seit zehn Jahren zeichnet die Architektin Giggi Heuß (55) für den Umbau des ehemaligen Ruhrzoos zur Zoom Erlebniswelt in Gelsenkirchen verantwortlich. Foto: Martin Möller © WAZ FotoPool | WAZ FotoPool

Alaska, Afrika, das war gestern, auch wenn seitdem zehn Jahre für die Zoo-Gestalterin ins Land gegangen sind. Jetzt ist Asien. „Ich habe die Bilder im Kopf”, erklärt Heuß. Bilder, wie der Kulturraum, die Landschaft Asien mitten im Revier aussehen soll. Bilder aus eigenen Reisen, Bilder aus unzähligen Büchern, die sie aus Bibliotheken plünderte. Malaysische, indonesische, thailändische Architektur und Baugeschichte vereinen sich auf fünf Hektar ohne kitschig zu werden, ohne zu sehr Disneyland zu schaffen.

Wen wundert es, dass sich die 55-Jährige gleich nebenan in der Zoosiedlung in einer Wohnung eingemietet hat. Mit Oskar, ihrem Papagei, der morgens und abends auf der Schulter oder der Hand sitzend sie hin- und zurückbegleitet. Und neben ihrem Bett liegen Block und Stift griffbereit, falls ihr nachts etwas Neues einfällt. Heuß: „Die Robbenanlage habe ich geträumt.”

In den Landschaftsbau kniete sich die Architektin rein, zur „Jägerin” wurde sie, nicht nach Tieren, sondern nach asiatischen Accessoires, die die perfekte Illusion erzeugen sollen. Mit dem ihr eigenen (und eingestandenen Perfektionismus) ist das so eine Sache: Danach müsste die mächtige Asienhalle eigentlich zwei Meter tiefer in eine Grube gesetzt, verborgen werden. Zu sehr Fremdkörper erscheint sie ihr. Doch das wäre zu teuer gewesen, weiß die Architektin um die Zahlen und hebt hervor, dass der vor zehn Jahren aufgestellte Kostenplan heute noch immer weitgehend aktuell ist.

Ihr Ziel: zufriedene Tiere und Besucher

Zum Zoo kam Giggi Heuß in weiblicher Umwandlung wie der buchstäbliche Bock zum Gärtner. Denn erklärte Zoo-Gegnerin war sie, als die frischgebackene Architektin damals vor 30 Jahren im Karlsruher Hochbauamt den Auftrag bekam, die Leopardenanlage in dem dortigen Zoo umzubauen. „Ich saß heulend zuhause, als ich die Käfige und Kacheln dort gesehen hatte.” Sie entwarf eine neue Anlage, zwackte dafür dem Zoo-Direktor kurzerhand ein Stück seines Gartens ab und war „verraten und verkauft”, als sie die zufriedenen Tiere in ihrem neuen Domizil sah.

Auf dem Plan ist der Brunnen am Eingang der tropenhalle schon fertig. Foto: Martin Möller
Auf dem Plan ist der Brunnen am Eingang der tropenhalle schon fertig. Foto: Martin Möller © WAZ FotoPool | WAZ FotoPool





Die naturnahe, natürliche wirkende Liaison zwischen Mensch und Tier hat sie in Gelsenkirchen nun zur Perfektion treiben können (nicht ganz, weil sie ja allzu perfektionistisch ist). Wassergräben, Schilfdrahtzäune, Felswände: all diese versteckten Hindernisse trennen unsichtbar Besucher und Bewohner voneinander, nehmen die Zoogänger mit auf eine Urlaubsreise, ins heiße Afrika, ins raue Alaska und nun bald in den Tropendschungel.

Die eigenen Lieblingsplätze

Die Kodiak-Anlage in Alaska ist einer ihrer Lieblingsorte: „Dort kann ich stundenlang stehen, das Wasser donnern hören, die Gischt spüren.” Oder der Blick übers Löwenareal (mit den unsichtbaren Zäunen) hinüber zur im Sonnenlicht flimmernden Savanne, wo die Zebras mit den Hufen scharren. Oder bald Asien: Der Blick von der Gastronomie-Terrasse über die geschwungene Seelandschaft hinüber zur Eingangspagode.

„Geschichten” will die 55-Jährige erzählen. Die von dem geheimnisvollen, verfallenen Tempel, den die heiligen Hullmann-Affen erobert haben. Oder die von den Orang-Utan-Forschern, die im Regenwald eine alte Höhle entdeckten, sich dort eine Baumhütte als Beobachtungsstand für die „Waldmenschen” bauten, zu der eine rostige Treppe führt. Dass damit gleichzeitig ein Notausgang aus der Asienhalle kaschiert, der Treppenaufgang zu den Baumwipfeln des Affengeheges zum Erlebnis wird, ist nichts anderes als pure Absicht, klares Konzept.