Gelsenkirchen-Resse. Wieso der Abschied des Resser Pastors Beukenbusch die Gelsenkirchener Pfarrei St. Urbanus in Nöte bringt. Was Katholiken bevorsteht.

Er gehört zu einer aussterbenden Spezies, gleich in mehrfacher Hinsicht: Katholischer Priester will heute kaum noch ein Mann werden. Und nur einer Gemeinde zugeordnete Pastöre gibt‘s in Zeiten von Großpfarreien auch fast nicht mehr. Die Konsequenz: Wenn Pastor Alois Beukenbusch (66) Ende April in den Ruhestand geht, hinterlässt er nicht nur eine Lücke am Standort Herz-Jesu. Er stürzt auch die Pfarrei St. Urbanus unabsichtlich in große Personalnot. Und dabei wird‘s nicht bleiben. Für alle Katholiken in Gelsenkirchen brechen bald neue Zeiten an.

Rund 17 Jahre war Beukenbusch in Herz-Jesu Gemeinde-Pastor. In Essen-Frintrop geboren und aufgewachsen, hatte er „schon als Kind davon geträumt, Priester zu werden.“ Als Hauptschüler ohne Abitur konnte er sich ein Theologie-Studium aber „abschminken“, wie er erzählt. Statt beruflich über Gott und die Welt zu reden und Sakramente zu spenden, mühte er sich als Versicherungskaufmann, Kunden von Vorsorge-Produkten für die Risiken des Lebens zu überzeugen – und wurde nicht so recht glücklich.

Priester zu werden, war schon immer der Wunsch von Alois Beukenbusch

Also holte er sein Abi nach und wurde 1987 zum Priester geweiht. Nach Stationen in Oberhausen kam er Ende 2006 in die damals noch eigenständige Pfarrei in Resse – und durfte den Traumjob erledigen, der es bis heute für ihn geblieben ist. „Es war auf jeden Fall die richtige Entscheidung, Priester zu werden“, sagt der immer fröhlich wirkende Mann rückblickend mit einem energischen Nicken. „Mit Menschen in vielfältigen Lebenssituationen zu arbeiten und ihnen dabei das Wort Gottes zu sagen, macht mir einfach Freude.“

Ob er sich für den Beruf entschieden hätte mit dem heutigen Wissen, wie sich die Arbeit durch die verschiedenen Strukturreformen der Pfarreien ändert? „Da bin ich mir nicht so sicher. Denn durch die grundsätzlich wichtigen Aufgaben in den Gremien und Ausschüssen der Großpfarrei kam die Seelsorge oft zu kurz“, redet er Klartext.

Auch in Zeiten des Umbruchs ist für Gelsenkirchener Pastor „das Glas halbvoll“

Er staunt selbst, wie viele Kirchen auf dem Gebiet der heutigen St.-Urbanus-Pfarrei seit seinem Amtsantritt Ende 2006 aus finanziellen und personellen Gründen geschlossen wurden: „Zwölf Gotteshäuser!“, darunter St. Hedwig in seinem Resser Verantwortungsbereich. Die Zahl symbolisiert für ihn einen Umbruch, dem sich alle Verantwortlichen durch eine Glaubensstärkung auf allen Ebenen stellen müssten: eine Volkskirche im alten Sinne, die gibt’s nicht mehr. Der Standort Resse zählte etwa 2006 knapp 5000 Gläubige. Heute sind es rund 3500.

Jammern über sinkende Zahlen bei Gottesdienst-Besuchern und vermehrte Kirchenaustritte, verbunden mit geringeren Kirchensteuern, ist seine Sache aber nicht. Auch in Zeiten schwindenden Interesses an der Amtskirche ist für Beukenbusch „das Glas halbvoll“. Warum? „Ich glaube nicht, dass die Menschen früher gläubiger waren als heute. Damals war nur die soziale Kontrolle größer, etwa wenn es um den Kirchenbesuch ging. Außerdem boten die Gemeinden eine der wenigen Möglichkeiten für Kinder und Jugendliche, sich zu treffen und Gemeinschaft zu erfahren. Klar, dass sich das auflöste, als es mehr und mehr andere Freizeitangebote gab.“

Was der Gelsenkirchener Pastor im Ruhestand vorhat

Ob er erleichtert ist, sich dieser Herausforderung der Glaubensvermittlung offiziell nicht mehr stellen zu müssen? Der künftige „Pastor im besonderen Dienst“, der auch weiterhin immer mal wieder Gottesdienste zelebrieren wird, schüttelt den Kopf. „Ich werde mich weiter bemühen, über Gott zu sprechen, nur dann als Privatmann. Erleichtert bin ich nur, dass die Verantwortung für die Gemeinde von mir abfällt und ich meine Zeit frei von Terminzwang gestalten kann.“

Freunde und Angehörige treffen, seine Italienisch-Kenntnisse aus den zwei Semestern Rom auffrischen, spontane Reisen in seine Sehnsuchts-Regionen Mecklenburg-Vorpommern, Erzgebirge oder „Elb-Toskana“ rund um Dresden machen: Das hat er sich vorgenommen. Highlights der letzten 17 Jahre wie Gemeinde-Reisen nach Zypern oder Malta auf den Spuren des Apostels Paulus oder die Rom-Wallfahrt mit den Messdienern bleiben ihm zwar als erfüllend in Erinnerung. Sonst will er es aber halten wie bislang: „Offene Augen und ein offenes Herz haben für die kleinen Dinge.“

Wieso Beukenbuschs Ruhestand die Pfarrei St. Urbanus in Nöte bringt

Für derartig philosophische Betrachtungen dürften die verbliebenen Priester der Pfarrei nur bedingt Zeit haben: Nach dem Ausscheiden Beukenbuschs sind nur noch 3,5 Geistliche für heilige Messen in den vier Kirchen St. Urbanus (Buer), St. Michael (Hassel), St. Barbara (Erle) und Herz-Jesu (Resse) zuständig: Pastor Martin Lohof, Pastor Swen Beckedahl (beide Erle), Kaplan Peter Schlippe (Buer) und – mit einer halben Stelle – Propst Markus Pottbäcker (Buer), der zugleich Propst in St. Augustinus und nicht zuletzt Stadtdechant ist.

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Die Folge: „Das Postoralkollegium arbeitet gerade an einer Änderung der Gottesdienstordnung in der Gesamtpfarrei St. Urbanus, um alle Messtermine gut stemmen zu können“, ohne die einzelnen Geistlichen zu überfordern, so St.-Urbanus-Sprecher Ludger Klingeberg. Ziel sei es, die neuen Mess-Zeiten nach den Sommerferien umzusetzen. Dass die Personal-Kapazitäten künftig aber noch enger werden, ist freilich schon jetzt abzusehen: Kaplan Schlippe wird wohl 2025 abgezogen.

Gelsenkirchener Katholiken sind auf dem Weg zu einer „Stadtkirche“

Und: Das Bistum Essen hat die nächste Strukturreform ins Auge gefasst, um der massiv zurückgehenden Zahl an Priestern im aktiven Dienst Rechnung zu tragen. Die aktuellen (Groß-)Pfarreien sollen zu noch größeren Verbünden zusammengeschlossen werden. „Eine Stadt - eine Pfarrei“, so bringt es Propst Pottbäcker in der Pfarrei-Zeitung „Kreuz & Quer“ auf den Punkt.

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Konkret heißt das: Die bislang noch eigenständigen Pfarreien St. Urbanus (Buer), St. Hippolytus (Horst) und St. Augustinus (Gelsenkirchen-Zentrum) sollen etwa ab 2030 zu einer Stadtpfarrei/-kirche fusionieren. Wie ein so großes Gebilde dann durch Gremien und Hauptamtliche geführt und gesteuert werden kann, welche Folgen dies für die einzelnen Standorte hat: Das ist aktuell noch unklar; Details zur Umsetzung werden gerade erarbeitet.

Fest steht hingegen, wie es in Herz Jesu weitergehen soll: Einen Nachfolger für Pastor Beukenbusch wird‘s nicht geben, so Klingeberg. Das Gemeinde-Leben vor Ort wird vielmehr ein sechsköpfiges ehrenamtliches Team stemmen, das sich einmal monatlich trifft und gegebenenfalls von den Hauptamtlichen der Pfarrei unterstützt wird. Für heilige Messen, Taufen, Hochzeiten und Beerdigungen reisen die Priester bzw. Gemeindereferentinnen an. „Es ist eine Herausforderung für Resse, aber für die Pfarrei keine neue. Schon jetzt wird etwa St. Michael in Hassel genau so versorgt“, so Klingeberg weiter.

Pastor Beukenbusch wird am Sonntag, 28. April, im 11-Uhr-Gottesdienst in Herz-Jesu feierlich verabschiedet. Anschließend sind Interessierte ins benachbarte Gemeindeheim eingeladen.