Gelsenkirchen. Sollte der FC Schalke 04 aus der zweiten Liga absteigen, wäre die weitere Existenz des Vereins gefährdet. Ein Alptraum für Gelsenkirchen(er).

Neulich Nacht bin ich mit rasendem Herzen aus dem Schlaf geschreckt. Was ich träumte, war nicht real, dessen war ich mir zwar unmittelbar bewusst, doch das machte es für den Moment auch nicht besser. Ich war betrübt und von großer Sorge erfasst. Sollten meine Söhne (4 und 5 Jahre alt) etwa in einem Gelsenkirchen aufwachsen, in dem es keinen FC Schalke 04 mehr gibt? Sollte ich mit ihnen nicht die vielen schönen und oft auch traurigen Fan-Momente erleben dürfen, die so viele Väter-Generationen schon mit ihren Söhnen erlebt haben? Sollte es das gewesen sein? Für immer!?

Die Bilder eines Abstiegs aus der zweiten Liga, die anschließende Insolvenz, der Zerfall des Vereins – das alles hatte mein Unterbewusstsein zu einem Alptraum zusammengerührt, der sich so real anfühlte, weil nicht ausgeschlossen ist, was niemals passieren darf!

Im Grunde glaube ich ja daran, dass Schalke mit Ach und Krach noch die Kurve kriegt, dass es vorerst irgendwie in der zweiten Liga weitergeht. Doch die Zweifel, die Sorge...: Das Damoklesschwert schwebt über uns – nicht nur im Traum.

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Gelsenkirchen ohne Schalke 04 also? Keine blau-weißen Ersten-Male mit meinen Kindern und für meine Kinder? Keine Freundschaften, Erinnerungen, unvergessliche Momente, die in der Kurve bei Heim- und Auswärtsfahrten entstehen und wachsen? Keine Zerstreuung mehr am Wochenende, wenn alles andere in den Hintergrund rückt und für 90 Minuten vor allem Schalke zählt? Und viel wichtiger: kein Ort der Zusammenkunft mehr, an dem Gelsenkirchen zusammenkommt, lacht und weint, jubelt und flucht?

Ins Stadion gehen, auf Schalke zu gehen, ist schließlich so viel mehr als nur Fußballgucken. Es sind die zwanglosen Begegnungen mit den Menschen, die man schon seit Jahren kennt und alle zwei Wochen trifft, die Gemeinschaft, das Wir-Gefühl.

Ein Essay von WAZ-Redakteur Sinan Sat.
Ein Essay von WAZ-Redakteur Sinan Sat. © funkegrafik nrw | Selina Sielaff

Es gibt wohl keine größere Gemeinsamkeit als den Fußball – insbesondere in Gelsenkirchen. Schalke ist hier überall in der Stadt, um die es ansonsten nicht besonders gut bestellt ist. Nirgendwo anders bedeutet ein Verein so viel für die Stadt wie Schalke für Gelsenkirchen. Schalke ist die Integrationsmaschine, die Projektionsfläche für die Hoffnungen, Wünsche und Träume der Gelsenkirchener, die vielfach nicht das einfachste Leben haben. Schalke ist ihr Stolz. Die Menschen hier sind der Verein, und über den Verein sind die Menschen wer in der Welt.

Gelsenkirchen ohne Schalke 04? Das darf niemals passieren!

Jeder Gelsenkirchener kann Geschichten davon erzählen, wie er irgendwo auf dem Planeten gefragt wurde, wo er denn herkomme. „Gelsenkirchen“ als Antwort löst dabei dann für gewöhnlich Nachfragen aus: „Wo ist denn das?“. Als weitere Beschreibung folgt dann „Schalke“, und fast immer weiß das Gegenüber etwas damit anzufangen. Schalke ist dann nicht mehr nur ein Heimatgefühl, es ist auch der Heimatort. Und Schalke ist noch mehr als das: Schalke ist die soziale Klammer in Gelsenkirchen, einer Stadt, die so sehr von Zuwanderung und Integration geprägt ist wie kaum eine andere. Am Ende ist das sogar die vielleicht wichtigste Funktion des Vereins.

Doch das alles ist in Gefahr! Gelsenkirchen ohne Schalke 04 ist keine Zukunft, die ich mir für meine Söhne und sonst jemanden vorstellen mag. In der Stadt der Tausend Feuer ist schon so mancher Alptraum wahr geworden. Dieser darf es nicht!