Gelsenkirchen. Das deutsch-türkische Theater-Ensemble „Halber Apfel“ begeisterte das Publikum bei zwei Aufführungen im Gelsenkirchener Musiktheater.

Und Wolfgang lacht. Lacht über Vorurteile gegen Deutsche und Türken gleichermaßen. Gemeinsam mit dem Mann im Publikum amüsiert sich das gut gefüllte Kleine Haus des Musiktheaters im Revier köstlich über Witze auf Kosten von tradierten Klischees. Im Rahmen der Internationalen Wochen gegen Rassismus gastierte das deutsch-türkische Ensemble „Halber Apfel“ mit zwei überaus unterhaltsamen Produktionen in Gelsenkirchen und begeisterte die Menschen mit praller Comedy, Satire und Ironie. Kritischer Tiefgang und deutliche Mahnung fehlten dabei nicht.

Deutschen und Migranten wurde der Spiegel vorgehalten

Ob Deutsche oder Migranten: Allen wurde ein wenig der Spiegel vorgehalten. Mit jeder Menge Spaß. Hass und Rassismus erfolgreich weglachen mit prallen Komödien und flotten Sprüchen, dafür steht das Theater „Halber Apfel“ aus Lüdenscheid, das 2005 von Murat Isboga gegründet wurde und seitdem nicht nur durch NRW, sondern durch ganz Deutschland, die Schweiz und Österreich tourt. Eine echte Entdeckung, die MiR-Generalintendant Michael Schulz vor einigen Jahren bei einem Gastspiel am Max-Planck-Gymnasium in Buer machte. So lud er nun gemeinsam mit dem Deutsch-Türkischen Freundeskreis Gelsenkirchen die fröhliche Truppe in sein Haus ein.

Im Mittelpunkt beider Inszenierungen, die am Samstag und Sonntag gezeigt wurden, steht die deutsch-türkische Durchschnittsfamilie Öztürk. Die Produktionen „Almanya Ich liebe Dich“ und „Mein KrAMPF“ kreisen um alltägliche Sorgen und Träume der Menschen zwischen Anerkennung und Ablehnung, zwischen Anpassung an die deutsche und Pflege der eigenen Kultur. Die Facetten von Integration werden mit Leichtigkeit und temporeichem Spaß aufgefächert. Das Theater spielt kurzweilig mit Vorurteilen und Klischees auf allen Seiten. Das macht die Stücke rund.

Ensemble-Gründer Murat Isboga führt Regie und spielt auch eine der Hauptrollen

Motor der Truppe ist deren Leiter Murat Isboga, der nicht nur Regie führt und die Texte schreibt, sondern der in der Rolle des Familienvaters Ali Öztürk den Dreh- und Angelpunkt der Produktionen gibt. Ein echter Entertainer. Immer wieder fällt der bärtige Mann in kariertem Hemd, grauen Puschen und Pullunder aus der Rolle heraus, interagiert mit dem Publikum, lässt es mitreden, mitsingen, egal ob Manfred, „den Mann mit dem deutschesten aller deutschen Namen“ oder den zehnjährigen Demir. Beiden versichert er zwischendurch immer wieder: „Das war nur Spaß!“

Das heitere Spiel mit den Klischees beginnt schon mit dem Bühnenbild: rote, plüschige Sitzgarnitur mit weißen Spitzendeckchen auf den Lehnen, ein Samowar auf dem Tisch. Vater Ali hat nur scheinbar die Hosen an, während Mutter Halime sich gut gelaunt für die Zukunft mehr romantisches Eheleben und Bungee-Jumping, Skifahren und ein Wellness-Wochenende wünscht. Und einen Mann, der im Haushalt mit anpackt. Tochter Fatma, jung und kritisch, verweist auf zunehmenden Rassismus, während aus dem Off an rassistisch motivierte Straftaten erinnert wird. Aber im nächsten Augenblick lässt Murat Isboga die Menschen schon wieder Tränen lachen.

Wenn Ausländer auf unbegründete Ablehnung treffen

Den Rahmen von „Mein KrAMPF“ bildet ein Unfall. Vater Ali fährt auf einem Parkplatz eine junge deutsche Frau um. Weil er nach der Rede eines Politikers panisch fürchtet, deswegen abgeschoben zu werden, nimmt er sie mit nach Hause, um ihr zu demonstrieren, wie nett und gastfreundlich seine Familie ist. Allerdings hat er sich mit Paula eine Rechtsradikale eingefangen, die mit den Öztürks so gar nichts zu tun haben will. Ihr einziges Argument auf Alis sachliche, ruhige Reden: „Ich mag keine Ausländer.“ Eine Szene, die zu den ernsten und nachdenklichen zählte. Aber auch hier bleibt der „Halbe Apfel“ differenziert, wenn Ali betont: „Solche Menschen, die andere wegen ihres Andersseins ablehnen, die gibt es überall auf der Welt.“

Am Ende emanzipiert sich die Mutter, nimmt als „Picasso Halime“ an einem Malkurs teil und will ihre Werke im Musiktheater ausstellen. Und tatsächlich findet im Foyer eine echte kleine Schau von Zeichnungen statt. Theaterchef Murat Isboga erklärt sie am Ende des Stücks: „Die Männer der ersten und zweiten Generation konnten sich schneller integrieren durch Arbeit und Sportvereine. Die Frauen kümmerten sich allein um die Familie, ihre Talente blieben oft unentdeckt.“ Wie die seiner eigenen Mutter. Wie seine Bühnenfigur begann aber auch sie mit dem Malen und Zeichnen: „Ihre Bilder stelle ich nun aus.“ Großer Beifall.