Gelsenkirchen-Altstadt. In der voll besetzten Buchhandlung Junius in Gelsenkirchen erinnert Schauspieler Markus Kiefer an den Autor. Einige Stücke erstmals auch vertont.
„Kurzweilig“ sollte sie werden, diese Lesung am Vorabend des 125. Geburtstag von Erich Kästner in der Buchhandlung Junius. Das schickte Schauspieler Markus Kiefer seinem Auftritt voraus. Er packte in etwas mehr als eine Stunde einen unterhaltsamen und doch ernsten Abriss aus dem vielfältigen Schaffen des deutschen Literaten. Gemeinsam mit Gitarrist Wolfgang Bachmann präsentierte er außerdem als Premiere die vertonten Fassungen einiger ausgewählter Stücke.
Kiefer schuf mit seiner variablen Stimme Bilder und Stimmungen, die die zeit- und gesellschaftskritische, satirische wie auch sentimentale und wehmütige Haltung Kästners durchschimmern ließ. Kaum etwas hätte dazu näher gelegen als Kiefers Einstieg mit der genießerischen Beschreibung Kästners, wozu und warum ein Vorwort in aller Ausführlichkeit zwingend nötig sei: „Auch zwei oder drei, es ist keine Unart, sondern wie der gepflegte Vorgarten eines Hauses.“
Eine Zeitreise in der Gelsenkirchener Buchhandlung
Die weit über 50 interessierten Gäste der Lesung genossen diese detailreiche und bildhafte Schilderung Kästners. Gänsehaut mag bei der Beschreibung der Bücherverbrennung 1933 aufgekommen sein, bei der Kästner als einziger der 24 von den Nazis verfemten Autoren persönlich anwesend war. „Schmutzige Tiraden eines kleinen, abgefeimten Lügners“, so drastisch kommentierte der Berichterstatter die Worte von Reichspropagandaminister Joseph Goebbels, „merkwürdig“ seine Gefühle als verbotener Schriftsteller und nun Augenzeuge.
Prophetisch seien seine vier Gedichtbände bis zu dieser Zeit gewesen, aber nach den zwölf Jahren bis zum Ende des Dritten Reichs ein Rückblick und Zeitgeschichte. Kästner unterstrich daraufhin, „Satiriker können nicht schweigen, Schulmeister müssen schulmeistern“.
Selbstkritisch klang da dessen Einschätzung, ob es rein idealistisch sei, die Menschen bessern zu wollen. Spöttelnd und teils resigniert war dagegen der Unterton, den Kiefer bei „Kennst du das Land, wo die Kanonen blüh‘n?“ vermittelte. So sehr Kästner als Kind von Pomp und Glorie des Kaiserreichs im Rückblick 50 Jahre später beeindruckt war, so deutlich war der erwachsene Publizist Anti-Militarist. „Wenn wir den Krieg gewonnen hätten, ... wäre Deutschland nicht zu retten“, zitierte Kiefer, begleitet von Wolfgang Bachmann an der Gitarre.
Nachdenklich, teils resigniert und dann doch idealistisch
Nachdenklich gestaltete Kiefer trotz allen Spotts in der Vorlage Kästners auch „Die deutsche Einheitspartei“, in der Max Müller alle Müllers zusammenführt, bis „ganz Deutschland Müller hieß“ und bis zur Kaiserkrönung, in der Andersheißende nicht geduldet wurden.
Nach der Begrüßung der vielen Gäste nutzte Sabine Piechaczek die Gelegenheit, kurz die anstehenden Veränderungen in der Buchhandlung Junius „in eigener Sache“ darzustellen. Nach fünfjähriger Suche nach einem Nachfolger hoffe sie, „das Haus gut bestellt zu haben“, auch für die Nachfolge. Es sei für Christina Njehu, die den „Bücher Kottmann“-Standort am Heinrich-König-Platz von Dirk Niewöhner übernehmen will, „mutig, sich in Gelsenkirchen selbstständig zu machen, und das mit einer Buchhandlung“. Die 66-Jährige selbst will halbtags in der Buchhandlung weiterarbeiten.
Weitere Veranstaltungen in der Buchhandlung Junius, Sparkassenstraße 4: im März Fensterausstellung von Bildern und Objekten des Gelsenkirchener Künstlers Heiner Szamida; im April Fensterausstellung von Ele Diestelhorst „Paper Art“; Dienstag, 23. April, 19.30 Uhr, Vorstellung der Junius-Lieblingsbücher mit Gastvorstellung von Christina Njehu und Dirk Niewöhner, Buchhandlungen Kottmann in GE und Buer; Anmeldungen unter 0209 23774, sabine.piechaczek@buchhandlung-junius.de.