Gelsenkirchen-Buer. Zweimal im Jahr stellen IHK und Sparkasse Gelsenkirchen den Konjunkturindex „Elix“ vor. Die Stimmung bei der regionalen Wirtschaft ist schlecht.

Ein bisschen geht es der Wirtschaft im Emscher-Lippe-Raum wie dem FC Schalke 04: Die Stimmung ist schlecht, die Zahlen sind im Keller – und viel Raum für Optimismus gibt es auch nicht. Das wurde am Donnerstag in den Räumen der IHK in Gelsenkirchen-Buer deutlich, als Dr. Jochen Grütters und Katja Venghaus von der IHK und Michael Hottinger von der Sparkasse den Wirtschaftsindex Elix präsentierten. Dabei richtete Grütters deutliche Worte in Richtung Politik.

Elix: Die Abkürzung steht für den „Emscher-Lippe-Index“, ein Konjunktur- und Stimmungsbarometer, das Sparkasse und IHK zweimal im Jahr herausgeben. Insgesamt 150 Unternehmen aus der Region werden dafür befragt, dabei geht es neben handfesten Zahlen auch um die Stimmungslage bei den Verantwortlichen und die Frage, mit welchem Gefühl sie in die Zukunft blicken. 83,8 Punkte weist der Elix Anfang 2024 auf: Das ist der drittschlechteste Wert, niedriger waren die Zahlen nur im Frühjahr 2020 zu Beginn der Corona-Pandemie und im Herbst 2022 im Schatten der sich andeutenden Energiekrise.

Gelsenkirchener IHK-Vertreter: Das ist seine große Sorge

Präsentierten den Elix: Katja Venghaus, Dr. Jochen Grütters (b beide IHK-Nord) und Michael Hottinger (Sparkasse Gelsenkirchen, v.l.).
Präsentierten den Elix: Katja Venghaus, Dr. Jochen Grütters (b beide IHK-Nord) und Michael Hottinger (Sparkasse Gelsenkirchen, v.l.). © IHK | Cornelia Fischer

War die schlechte Stimmung damals aber vor allem durch äußere, weltweit spürbare Einflüsse zu erklären, so scheint ein Großteil der Probleme, mit denen sich die Unternehmen plagen, dieses Mal hausgemacht. Das hat zumindest Jochen Grütters, der stellvertretende Hauptgeschäftsführer der IHK, beobachtet. Er befürchtet, dass Deutschland auf Dauer seinen Ruf als attraktiven Wirtschaftsstandort verlieren könnte. „Die Bürokratie in Deutschland schränkt viel zu sehr ein“, zählt er die Probleme auf, „wir brauchen konkurrenzfähige Energiepreise, und ein wesentlich schnelleres Planungs- und Genehmigungsverfahren.“ Es könne doch nicht sein, so Grütters, dass etwa das Verfahren zum Neubau der maroden A42-Brücke schon gestartet sei – man aber dennoch erst in fünf Jahren mit der Fertigstellung rechnete.

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Wenn sich auf Dauer nichts an der Situation ändere, befürchtet Grütters ernsthafte Konsequenzen. „Ich weiß von Unternehmen, die über eine Verlagerung ihrer Produktion ins Ausland nachdenken“, so der IHK-Vertreter. Gleichzeitig seien immer weniger junge Menschen bereit, eine Existenzgründung ins Auge zu fassen oder ein bereits bestehendes Unternehmen zu übernehmen.

Weihnachtsgeschäft nicht so gut wie erwartet

„Die Wirtschaft leidet nach wie vor unter knappen personellen Ressourcen, nach wie vor hohen Energiepreisen und einer ausgeprägten Nachfrageschwäche. Trotz sinkender Inflation ist die Konsumstimmung weiter zurückhaltend“, ergänzt Michael Hottinger, Geschäftsführer der S-Private Banking Gelsenkirchen. Das Weihnachtsgeschäft, das die Stimmung in der Branche normalerweise immer etwas aufhellt, sei im vergangenen Jahr unter den Erwartungen geblieben.

Noch sei kein Ende der wirtschaftlichen Schwächephase absehbar, glauben beide Experten. Ein steigender Anteil der Betriebe rechnet mit einer weiteren Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage in den nächsten Monaten (41 Prozent). „Die Unzufriedenheit der Betriebe mit den wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen wächst zunehmend“, so Grütters.

Michael Hottinger: Diesen kleinen Hoffnungsschimmer gibt es

Er appelliert an die Politik, dringend nötige Schritte so bald wie möglich einzuleiten. Als Vertreter einer Institution wie der IHK muss Grütters natürlich parteipolitische Neutralität wahren – aber der Adressat seiner Kritik, die Ampel-Regierung im Bund, ist unschwer zu erkennen. „Es liegt nicht daran, dass man das Problem nicht erkennt“, so Grütters, das sei der Fall. „Aber man sollte nicht so viel Zeit darauf verwenden, über die richtige Lösung zu diskutieren – kurz gesagt, es sollte weniger geredet und mehr getan werden.“ Unternehmen, so der IHK-Mann, bräuchten Planungssicherheit.

Einen kleinen Hoffnungsschimmer wollte zumindest Michael Hottinger am Ende doch noch geben. „Zum einen stellen wir fest, dass der Gaspreis wieder sinkt“, so der Sparkassen-Vertreter. „Zum anderen bekommen wir Signale aus Brüssel, dass die Europäische Zentralbank (EZB) im Juni den Leitzins senken will – das könnte der Wirtschaft wieder etwas Schwung geben“, so Hottinger.

Insgesamt aber überwiege zurzeit der Pessimismus, fasst Grütters zusammen. Und fordert noch einmal die Politik zum Handeln auf: „Wir brauchen einen Aufbruch – wenn nichts passiert, besteht für Optimismus kein Grund.“