Gelsenkirchen. Angekündigter Warnstreik: Auch in Gelsenkirchen stehen am Donnerstag über 100 Busse und Bahnen still. Pendler wissen nicht alle Bescheid.

Leicht irritiert blickt Max Kühnl auf das heruntergelassene, stählerne Rolltor, das ihm den Zutritt zur U-Bahn-Haltestelle im Hauptbahnhof versperrt. Das Handy des 19-Jährigen behauptet, dass in wenigen Minuten von dort eine Straßenbahn der Linie 302 in Richtung Buer abfahren würde. Tatsächlich bewegt sich an diesem Warnstreik-Tag im ÖPNV auch in Gelsenkirchen so gut wie nichts. Laut Bogestra stehen allein hier über 100 Busse und Bahnen still.

Auch die die Straßenbahnen-Linien 301 und 302 fahren nicht

„Ich ziehe gerade von Dortmund nach Gelsenkirchen und habe einen Termin im Rathaus Buer, um mich dort umzumelden“, erzählt Kühnl von der Dringlichkeit seines Anliegens. Nein, vom im Vorfeld angekündigten Warnstreik im ÖPNV habe er leider nichts mitbekommen, gibt er offen zu. Stattdessen schnappt er sich nun ein Taxi, um in Richtung Stadtnorden zu kommen.

Kein Zutritt: Die heruntergelassenen, stählernen Rolltore versperrten den Zugang zur U-Bahn-Haltestelle im Hauptbahnhof.
Kein Zutritt: Die heruntergelassenen, stählernen Rolltore versperrten den Zugang zur U-Bahn-Haltestelle im Hauptbahnhof. © WAZ | Thomas Richter

Auch Annika Klee wurde vom Protest der Belegschaften im Öffentlichen Personennahverkehr ein wenig überrascht. Sie war soeben per Zug aus Frankfurt am Hauptbahnhof angekommen, als sie feststellen musste, dass der Anschluss per Straßenbahn heute nicht fährt. Sie muss beruflich in Richtung Veltins-Arena. Das sind vom Hauptbahnhof knapp sieben Kilometer Fußweg. Auch sie erkundigt sich bei solchen Entfernungen sofort nach der Position des nächstgelegenen Taxistands.

Wer wissen will, was eigentlich los ist, der kann sich in den Kunden-Centern der Bogestra leider nicht informieren. Denn auch diese Verkaufsräume werden von der Gewerkschaft Verdi bestreikt und bleiben an diesem regnerischen Donnerstag ganztägig geschlossen. Immerhin steht auf den digitalen Anzeigetafeln, was Sache ist. „Warnstreik der Gewerkschaften! Heute können ganztägig keine Fahrten angeboten werden“ steht es da in orangefarbener Schrift auf schwarzem Grund.

Eine beinahe gespenstische Ruhe herrschte am zentralen Bushaltepunkt am Gelsenkirchener Hauptbahnhof.
Eine beinahe gespenstische Ruhe herrschte am zentralen Bushaltepunkt am Gelsenkirchener Hauptbahnhof. © WAZ | Thomas Richter

Es ist aber nicht so, dass gar nichts mehr fährt. Die beiden Schnellbus-Linien SB 29 und SB 36 fahren trotz des Warnstreiks pünktlich im Takt in Richtung Bottrop. Und die Buslinie 194 ist in Richtung Essen unterwegs. Zur Erklärung: Manche Linien werden von Anbietern betrieben, die von der Deutschen Bahn beauftragt werden. Und die fährt beim Streiken diesmal ausnahmsweise nicht an vorderster Front mit.

Wegen des extrem ausgedünnten Angebots herrscht an dem zentralen Bushaltepunkt Gelsenkirchen Hauptbahnhof eine beinahe gespenstische Stille. Normalerweise steigen an diesem Verkehrsknotenpunkt Hunderte Fahrgäste an den zwölf Bussteigen pro Stunde ein und aus. Nun verliert sich hier eine Handvoll Pendler, denen erst vor Ort klar wird, dass sie ihren Weg zur Arbeit anderweitig einschlagen müssen.

Durch den Warnstreik ist die gesamte Altstadt spürbar leerer

Einer davon ist Ralf Schmitz. „Ich rufe jetzt einen Kollegen an, der mit dem Auto unterwegs ist und frage, ob er mich hier aufsammeln kann“, erzählt er. Für die Streikenden habe er Verständnis. „Die extreme Arbeitsverdichtung ist doch in fast allen Branchen spürbar. Und im Schichtdienst wie die Bus- und Bahnfahrer wollen doch auch immer weniger junge Leute arbeiten“, vermutet Schmitz. Deshalb kann er die Forderungen der Arbeitnehmer nach attraktiveren Arbeitsbedingungen „zu 100 Prozent nachvollziehen“.

Vom Warnstreik sind aber nicht nur die Pendler betroffen, sondern auch die Geschäfte auf der Bahnhofstraße und in der gesamten Altstadt. Es ist spürbar leerer als an herkömmlichen Tagen. Das bestätigt auch Patricia Steinhaus. Sie ist seit sieben Jahren Mitarbeiterin bei „Tabak Müller“ im Bahnhofscenter. „Es ist sehr ruhig heute“, stellt sie am frühen Vormittag fest. Normalerweise würde ihr die Kundschaft „zu dieser Zeit bereits die Tür einrennen“. Doch an Streiktagen ist nun einmal alles anders...